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Miese Zuchtbedingungen in ThüringenEin Schweineleben

Weiterer Skandal bei Skandalschweinehaltern: In Zuchtanlagen in Thüringen wurden erneut gravierende Missstände entdeckt.

November 2015: Gut Thiemendorf in Thüringen Foto: dpa

Sie scheinen nicht viel dazugelernt zu haben: Zwei Schweinezuchtanlagen in Thüringen, die schon länger in der Kritik stehen, haben offenbar erneut massiv gegen Tierschutzvorschriften verstoßen. Auf der Anlage Gut Thiemendorf leben Tiere, die stark mit Kot beschmutzt sind, in viel zu engen Gitterboxen, sogenannten Kastenständen. Das zeigen Bilder von Ende November, die der Umweltorganisation Greenpeace zugespielt wurden. Deshalb hat der Verband am Montag Strafanzeige gegen den Betreiber, die Heideland Gutsverwaltung GmbH & Co. KG, erstattet.

Die Stände seien so eng, dass sich die Tiere nicht ungehindert ausstrecken können, berichtet Greenpeace. Laut einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom November 2016 müsse dies jedoch gewährleistet sein, sagt Greenpeace-Landwirtschaftsexpertin Stephanie Töwe. Missstände gibt es auf Gut Thiemendorf – mit 9.000 Tieren eine der größten Schweinezuchten Thüringens – schon lange. Bereits 2014 mussten kranke und vernachlässigte Tiere notgeschlachtet werden. Im Jahr 2016 hatte die ARD außerdem Bilder veröffentlicht, die zeigen, wie überzählige Ferkel qualvoll erschlagen werden.

Neue schwere Tierschutzverstöße wurden auch in der Schweinezuchtanlage am Ascha­raer Kreuz festgestellt, bei deren Eigentümergesellschaft der ehemalige Präsident des Bauernverbands Thüringen, Klaus Kliem, Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer ist.

Bei einer Kontrolle Anfang Dezember fanden die Amtstierärzte dort verletzte Tiere und stark verschmutzte Ställe vor. Aufgrund aussichtslosen Gesundheitszustands mussten fünf Schweine notgeschlachtet werden. Doch das war erst möglich, nachdem die Polizei Amtshilfe leistete. Denn einen hinzugerufenen Tierarzt wollte der Betrieb nicht auf das Gelände lassen.

Verhalten, das Tieren und Verbrauchern schadet

Der Besitzer der Anlage für 5.000 Schweine, die ADIB Agrar-, Dienstleistungs-, Industrie- und Baugesellschaft, wirft den Amtstierärzten nun vor, die Tiere zu Unrecht getötet zu haben, und stellt Anzeige gegen die Ärzte. Das Veterinäramt weist den Vorwurf zurück und schreibt: „Wir müssen feststellen, dass von den genannten Betrieben und Hoftierärzten inzwischen ein Verhalten an den Tag gelegt wird, welches nicht nur den Tieren und den Verbrauchern schadet. Es schadet auch den anderen Landwirten und Tierärzten, welche sich um das Wohl ihrer Tiere sorgen.“

Auch hier sind Missstände nichts Neues: Schon im Januar mussten in Aschara 39 Tiere notgeschlachtet werden. Die Rede war von Gelenkgeschwüren, apathischen Tieren, Ställen voll Gülle und viel zu engen Kastenständen. Die Anlage des ehemaligen thüringischen Bauernpräsidenten wurde zudem laut MDR vom Land schon vor der Errichtung finanziell gefördert: Für eine vermeintlich besonders tierfreundliche Unterbringung gab es für zwei Betriebe jeweils 600.000 Euro.

Das Verhalten schadet auch anderen Landwirten und Tierärzten

Veterinäramt

Einer im Juni verfügten Betriebsschließung konnte die ADIB sich durch Überführung der Anlage in neue Betriebe – Tochterunternehmen der ADIB – entziehen. Denn mit diesem juristischen Schachzug wurde die alte Schließungsverfügung hinfällig. Zu einer Besserung der Zustände kam es jedoch nicht, wie die jüngste Kontrolle zeigt. ADIG-Chef Kliem will sich dazu auf Anfrage der taz nicht äußern.

Burkhard Vogel, Landesgeschäftsführer des Bunds für Umwelt und Naturschutz Thüringen, fordert die sofortige Schließung. Die jüngste Kontrolle zeige, dass der Betrieb „nicht in der Lage ist, Schweine artgerecht zu halten“. Noch weiter gehende Forderungen erhebt Greenpeace-Agrarexpertin Stephanie Töwe: „Generell müsste man von der Kastenstandhaltung weg“, sagte sie der taz. Nötig sei zudem, die Anzahl der Tiere pro Stall zu reduzieren und die Ställe umzubauen.

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6 Kommentare

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  • Alle diese Skandalberichte über die bestialischen Tierhaltungsbedingungen werden rein gar nichts bewirken wenn weiterhin der fleisch- und kuhbabymilchgeile Konsumbürger die Tierprodukte massenweise in sich reinschiebt ohne nur ein Fünkchen nachzudenken. Man läßt sich doch seinen Gaumengenuß nicht von diesen verderben. Also Gehirn ausschalten.

    Der Konsument allein ist der Auftraggeber für Tierquälerei unermeßlichen und für mitfühlende Menschen unerträglichen Ausmaßes. Deswegen hat allein der Konsument es in der Hand diese barbarischen Tierhaltungsbedingungen zu beenden. Am Besten mit dem Totalverzicht auf Tierquälprodukte. Ein empathischer Mensch sollte für alle Lebewesen Empathie empfinden. Das wäre eine wunderbare Weihnachtsbotschaft. Bewahrung der Schöpfung fängt schon beim Tellerrand an.

    • 1G
      10391 (Profil gelöscht)
      @Traverso:

      Kuhbaby nennt man KALB

  • Wenn gekannt würde, wo das Fleisch oder Fleischprodukte aus diesen Betrieben verkauft wird, könnten sich die Verbraucher gezielt dagegen entscheiden.

  • Die ARD hat zwar die Bilder der brutalen Ferkelschlachtung letztes jahr veröffentlich, aber nicht in eigenrecherche. die wurden denen von animal rights watch zu gespielt, welche sie im aleingang aufgenommen haben.

  • Einer im Juni verfügten Betriebsschließung konnte die ADIB sich durch Überführung der Anlage in neue Betriebe – Tochterunternehmen der ADIB – entziehen."

     

    Wie soll denn das bitte gehen? Wenn mein Auto wegen Mängeln aus dem Verkehr gezogen wird und nicht mehr zugelassen wird, überschreibe ich es meiner Tochter? Und dann gilt diese Verfügung nicht mehr? Die kann dann frisch und frei damit rumfahren und Unfälle bauen.

    Anders gesagt, wenn die Schweinekäfige zu klein sind, richtet sich das Verdickt nicht gegen die Zuständige sondern gegen den Eigentümer.

    Das kann nur mit Bestechung funktionieren

  • Die Forderung von Stephanie Töwe sollte mensch mit einer Petition untermauern. Ich denke, es dürften sich viele Unterstützer und Unterstützerinnen finden. Nur ob das den Landwirtschaftsminister beeindruckt ???