piwik no script img

Michael Müller über Stadtentwicklung„Das ist eine vertane Chance“

Dass auf der UN-Konferenz zur Stadtentwicklung kein Minister aus Berlin ist, kann der Regierende Bürgermeister nicht verstehen.

Mit dem Fahrrad ins Zentrum: In Quito wird auch über Alternativen beim Stadtverkehr diskutiert Foto: dpa
Stefan Reinecke
Interview von Stefan Reinecke

taz: Herr Müller, Habitat III verfolgt hehre Ziele – umweltverträgliche, soziale Städte zu schaffen. Was bringt das Treffen der Bürgermeister dafür?

Michael Müller: Die Vernetzung ist wichtig. Wir haben ja gleiche Probleme: den Klimawandel zu stoppen, das Wachstum der Städte zu bewältigen und sozialen Ausgleich zu bewahren.

Was bringt der Austausch zwischen Städten konkret?

Wir haben zum Beispiel in einer Konferenz gehört, dass in Australien die Kommunikation der Verwaltung mit den Bürgern auf online umgestellt wurde. Doch damit wurden keineswegs alle Bevölkerungsgruppen erreicht. Online ist also auch nicht der Königsweg. Das ist für uns in Berlin interessant. Und: Berlin hat mit Johannesburg ein Projekt vereinbart, in dem unsere beiden Verkehrssysteme überprüft werden.

Das ist alles kleinteilig.

Aber das ist doch das Schöne. Es ist immer konkret.

Klimawandel, Bekämpfung der Armut – das ist vor allem Sache der Regierungen. Sie engagieren sich bei Metropolis, einem internationalen Verbund von Städten. Konkurriert dieses urbane Netzwerk mit den Regierungen? Oder ist das eine Ergänzung?

Bild: reuters
Im Interview: Michael Müller

Der SPD-Politiker ist seit Dezember 2014 Regierender Bürgermeister von Berlin.

Habitat III: Noch bis Donnerstag wird in Quito die UN-Konferenz zu nachhaltiger Stadtentwicklung durchgeführt. Hauptthema sind die Herausforderungen der Megacitys.

Das ist ein wunder Punkt. Wir, die Städte, mussten ja hart kämpfen, um an Habitat III überhaupt beteiligt zu werden. Das sollte ausschließlich auf nationaler Ebene passieren, ohne Städte. Das ist so, als würden wir über die Unterstützung von Kommunen reden, ohne dass der Städtetag mitreden darf. Ziemlich absurd. Das haben wir geändert.

Das Problem ist: Was in Quito beschlossen wird, ist nicht rechtsverbindlich. Niemand aus Delhi kann vor Gericht das Recht auf sauberes Wasser oder Bildung einklagen.

Stimmt. Deshalb ist die Frage: Welche Umsetzungsschritte kommen nun im Habitat-Prozess? Welche Instrumente haben Städte künftig, um die Ziele der New Urban Agenda zu verwirklichen?

Wir, die Städte, mussten ja hart kämpfen, um an Habitat III überhaupt beteiligt zu werden.

Michael Müller

Und?

Wir müssen darauf pochen, dass vonseiten der UN und der nationalen Regierungen umgesetzt werden kann, was hier beschlossen wurde. Und dass die Mittel vor Ort ankommen.

Aber es gibt keine Sanktionen, weder positiv noch negativ. Keine Stadtregierung muss ihre Politik auch nur einen Millimeter ändern. Habitat ist ein Anstoß zur Bewusstseinsbildung …

Richtig.

Aber nicht mehr.

Das ist mir zu defensiv. Da ist schon eine neue Qualität. Es ist gelungen, in der UN ins Bewusstsein zu rücken, dass man drängende globale Probleme nicht ohne kommunale Ebene lösen kann. Und dass dezentral wichtig ist. Das ist nicht nur Papier, sondern gelebtes Leben. Außerdem: Seit einem Jahr spielt Mobilität im Habitat-Prozess eine große Rolle. Als ich vor vier Jahren in das Thema eingestiegen bin, war das anders. Damals ging es starr um Siedlungs- und Baupolitik. Jetzt geht es um Stadtentwicklungspolitik, mit Gesundheit und Bildung. Das ist sinnvoll.

Sie sind jetzt der ranghöchste Vertreter der deutschen Delegation – unverhofft. Denn die beiden Bundesminister, für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Umwelt, Gerd Müller und Barbara Hendricks, haben abgesagt. Offenbar hält die Bundesregierung Habitat III für unwichtig. Ist das kein fatales Zeichen?

Das ist bedauerlich, auch wenn da Terminschwierigkeiten eine Rolle gespielt haben. Denn viele schauen weltweit nach Deutschland, das sich über Jahrzehnte mit sozialem Frieden gut entwickelt hat. Viele interessiert, von deutschen Ministern oder Bürgermeistern zu hören, wie es bei uns weitergehen soll. Insofern ist es eine vertane Chance, dass keine Bundesminister hier sind.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!