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Metropolregion Berlin-BrandenburgBlühende Landschaften – jedenfalls in Öl

Kommentar von

Stefan Alberti

Beim Festakt zum 75-jährigen Bestehen der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg sehen drei prominente Redner große Chancen statt großer Probleme.

Verführerisch schöne Landschaften zeigen die Monet-Bilder im Museum Barberini, in dem jetzt der Wirtschaftsverband UVB feierte Foto: imago stock

E s war ein sehr regnerischer Novembertag. Irgendwann an diesem Tag gab es auch sicherlich wieder eine Meldung, dass irgendwo in Deutschland wieder etwas wirtschaftlich den Bach runter gegangen sein soll. Und schräg gegenüber im Brandenburger Landtag sitzt die AfD als größte Oppositionspartei, in Umfragen mit zuletzt 34 Prozent weit vorne. Insofern sind die Umstände am Montagabend nicht die besten für den Wirtschaftsverband UVB, um im Museum Barberini in Potsdam sein 75-jährigen Bestetehen zu feiern.

Aber es gibt ja drei Redner, die sich der Verband – das Kürzel steht ausgeschrieben für Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg – eingeladen hat. Und die treten auf wie Motivationskünstler oder Fußballtrainer in einer aufrüttelnden Kabinenpredigt. Wobei das mit dem Fußball in einer Wunde rührt: Wer an diesem Abend im Barberini ist, verpasst zumindenst die erste Halbzeit des WM-Qualifikationsspiels gegen die Slowakei – jener, wie sich zeigen wird, vielleicht besten seit dem legendären 7:1 gegen Brasilien bei der WM 2014.

Aber das ist ja glücklicherweise zu Beginn des Abends noch nicht absehbar. Die drei Redner vor der illustren Schar von Regierungsmitgliedern und Abgeordneten aus beiden Bundesländern samt Kirchenleuten, Gewerkschaftern sind die beiden Ministerpräsidenten Kai Wegner und Dietmar Woidke – und der Chef eines führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstituts, Michael Hüther. Hüther war auch einer jener vier Ökonomen, die im Frühjahr entscheidenden Einfluss auf das 500 Milliarden schwere Sondervermögen des Bundes hatten.

Qua Amt, Funktion und Reputation sind das also nicht unbedingt berufsmäßige Dampfplauderer wie bei manchem Motivationsseminar oder einer Promotion-Tour. Trotzdem sehen diese drei im Kern nur Chancen für die Region und malen das auch mit Superlativ aus. Was auch für das Berliner Umland gelten soll mit seinen malerischen brandenburgischen Seen.

Sich bloß keine Konkurrenz machen

Der Begriff fällt nicht, aber da können einem schnell die „blühenden Landschaften“ in den Kopf kommen, die der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl von der CDU nach der Wiedervereinigung versprach. Das gilt umso mehr, weil es gleich hinter den Wänden des Vortragssaals im Barbini genau solche schönen Landschaften gibt, vorrangig in Öl und gemalt von Claude Monet und seinen impressionistischen Zeitgenossen.

Bloß eine einzige Voraussetzung nennen alle drei Redner: Dass nämlich – sinngemäß zusammen gefasst – Berlin und Brandenburg an einem Strang ziehen. Was weniger bildhaft ausgedrückt konkret heißen soll: Sich auf keinen Fall Konkurrenz machen, etwa bei Ausschreibungen und Ansiedlungen. Gemeinsam planen und Dinge nicht teuer doppelt und parallel vorantreiben.

Der Woidke und Wegner wünschen sich zudem über Pareigrenzen hinweg mehr Fairness von der Bundesregierung, sehen sich als Ostdeutsche nachrangig behandelt, für die es weit weniger Infrastrukturprojekte und Direktverbindungen vom Flughafen BER aus gebe.

Die beiden Regierungschef loben sich überhaupt über alle Maßen. Glaubt man Wegner, so ist der SPDler Woidke bei Treffen der Ministerpräsidenten, bei den der Berliner Regierungschef zwischen Bayern und Brandenburg sitzt, für ihn der erholende Ausgleich zu seinem formalen Unionsparteienfreund Markus Söder. Er freue sich immer, nach Potsdam zu kommen, ist von Wegner zu hören, weil er dann die Chance habe, Woidke zu treffen.

Falls der dann gerade nicht da ist, der Himmel wieder grau und die Landschaft doch nicht so blühend, kann Wegner ja auch wieder ins Museum Barberini gehen. Die Landschaften an den Wänden dort leuchten bei jedem Wetter und jeder Tageszeit.

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Redakteur für Berliner Landespolitik
Jahrgang 1967. Seit 2002 mit dreieinhalb Jahren Elternzeitunterbrechung bei der taz Berlin. Schwerpunkte: Abgeordnetenhaus, CDU, Grüne.
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