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MetropolenOffenheit im Standortwettbewerb

Der Hamburger Senat lässt ausleuchten, wie er die Stadt mit Hilfe "kreativer Milieus" für die Zukunft rüsten könnte. Die Bewegung gegen Aufwertung und Verdrängung dürfte das mit gemischten Gefühlen sehen.

Kunst- oder doch Handelsstadt? Auf St. Pauli versuchen die Palmen des Kunstprojektes Park Fiction, einen kleinen Akzent zu setzen. Bild: dpa

Das könnte ein Stich ins Wespennest der Anti-Gentrifizierungsbewegung werden: Während Künstler- und Bürgerinitiativen mit großer Resonanz für ihr "Recht auf Stadt" kämpfen, lässt der schwarz-grüne Senat prüfen, wie er am besten mit der kreativen Szene wuchern kann. Am Dienstagabend hat er dazu ein Gutachten "Kreative Milieus und offene Räume" vorgestellt. Es untersucht, wo die Musiker, Maler und Spiele-Entwickler zu Hause sind, wie sie zu fördern wären und wo die künftigen Szene-Viertel liegen könnten.

Ende Oktober hatte ein Gruppe von Kulturschaffenden ein Manifest gegen ihre Vereinnahmung für das Stadtmarketing und gegen eine rein ökonomische Behandlung der Stadt als Unternehmen Hamburg verfasst. Sie solidarisierten sich mit fast zwei Dutzend Bürgerinitiativen in der ganzen Stadt - von einer Initiative gegen die Zerstörung eines grünen Uferstreifens bis zum autonomen Kulturzentrum "Rote Flora". Der Text wurde zum Manifest gegen Aufwertungs- und Verdrängungsprozesse in der ganzen Stadt.

Deren prominentestes Beispiel - das Gängeviertel - hat es in die überregionalen Medien geschafft. Künstler besetzten den letzten Rest eines Arme-Leute-Quartiers wie es früher für die Innenstadt typisch war. Unterstützt von den Medien, brachten sie den Senat dazu, eine frühere Entscheidung zu revidieren: Er machte den Kaufvertrag mit einem Investor rückgängig, der das Ensemble teils abreißen, teils aufhübschen und vermarkten wollte.

Mit ihrem Widerstand rannten die Künstler im Grunde offene Türen ein - wie das jetzt vorliegende Gutachten zeigt. Es gehört zu einer Politik, die die Hamburger Grünen (GAL) bereits in der Opposition 2006 gefordert haben: Gegenüber dem CDU-Leitbild der "Wachsenden Stadt" und dem SPD-Pendant der "Sozialen Stadt" riefen sie die "Kreative Stadt" aus.

Sie rekurrierten dabei auf die Stadtforscher Charles Landry und Richard Florida, die festgestellt hatten dass die Städte sich am besten entwickelten, die die meisten kreativen Köpfe anzogen. Dazu gelte es einerseits Hochtechnologie-Arbeitsplätze zu schaffen und andererseits eine Subkultur zu ermöglichen, die eine Stadt als Wohnort spannend macht und zugleich den Prozess der Kapitalverwertung mit frischen Ideen beliefert.

Schon die CDU-Alleinregierung hatte daraus Konsequenzen gezogen und 2007 von Roland Berger ein Gutachten zur "Talentstadt Hamburg" anfertigen lassen. Es attestierte Hamburg Nachholbedarf bei der Technologie. Aber schon damals wollte der Senat "potenzialkräftige, junge Kreativ-Viertel" identifizieren und vermarkten. Das neue Gutachten zum Thema Kreativität dürfte auch der alten Angst Hamburgs begegnen, die künstlerisch angehauchten Kreativen wie Musiker, Maler und Computerspiel-Entwickler an das wilde Berlin zu verlieren.

Das Gutachten

Die Studie "Kreative Milieus und offene Räume in Hamburg" von dem Berliner Büro "Studio UC" versucht zu klären, wie die Kultur- und Kreativwirtschaft gestärkt werden kann.

Analyse: Viele Unternehmen und Projekte lassen sich nicht Wirtschaftssektoren zuordnen. Kreative Milieus sind nicht planbar, es können aber günstige Rahmenbedingungen geschaffen werden.

Handlungsempfehlungen: In Szenevierteln finanzierbare Lebens- und Arbeitsbedingungen sichern und zugleich anderswo Räume anbieten. Eine Kreativagentur soll Liegenschaften vermitteln.

Mit dem Begriff des "Kreativen Milieus" versucht die Studie, von der Konzentration auf Talente wegzukommen und Systeme in den Blick zu nehmen, "die jenseits von gesellschaftlichem Stand und sozialer Klasse durch Gruppierungen, Szenen und Atmosphären hervorgebracht werden". Hier würden auf engem Raum neue Lebens- und Arbeitsformen und Ideen für neue Produkte entwickelt und könnten von einander profitieren. Entsprechend gelte es, solche Milieus durch das Offenhalten von Räumen zu ermöglichen - sowohl in den existierenden Szenevierteln als auch an deren Rändern oder bisher abgehängten Gegenden der Stadt.

Helfen soll dabei eine Agentur, die Räume an Kreative vermittelt, sei es auch nur auf Zeit. Doch eben genau diese Agentur wird im Manifest angegriffen, weil sie zeige, dass Kreativität nur ein "profit center" sein solle.

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