Meteorologe über Taifun „Haiyan“: „Man könnte einen Bunker bauen“
Christian Herold vom Deutschen Wetterdienst über den Wirbelsturm, seine Intensität, die Rolle des Klimawandels und bevorstehende neue Unwetter.
taz: Herr Herold, der Wirbelsturm „Haiyan“ gilt als einer der schlimmsten Wirbelstürme aller Zeiten. Warum war er so verheerend?
Christian Herold: Er ist der schlimmste, der je auf Land getroffen ist. Besonders verheerend waren seine hohen Windgeschwindigkeiten von 300 bis 315 Kilometern pro Stunde, in Böen sogar über 360 Kilometern pro Stunde. Wie viel das ist, wird im Vergleich mit dem Sturmtief „Christian“ deutlich, das Ende Oktober Nordeuropa heimgesucht und große Verwüstungen angerichtet hat: Da gab es Böen von 190 Kilometern pro Stunde. Gegen „Haiyan“ war „Christian“ also fast ein Kindergeburtstag.
Wie ist „Haiyan“ entstanden?
Weit östlich von den Philippinischen Inseln, am 3. November. Zurzeit ist der Pazifik mit über 30 Grad Oberflächentemperatur dort besonders heiß. Es haben sich Gewitterwolken gebildet, die feuchte und warme Luft ist aufgestiegen und hat den Gewittern noch mehr Energie zugeführt. Durch die Erdrotation ist das alles in Rotation gebracht worden und hat sich schließlich zu einem Supertaifun entwickelt.
Ein Supertaifun?
Ein Taifun mit Windgeschwindigkeiten von über 241 Kilometern pro Stunden.
30, ist Diplom-Meteorologe und arbeitet in der Offenbacher Vorhersage- und Beratungszentrale des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in Frankfurt/M.
„Haiyan“ traf am Sonntagabend auf die nordvietnamesische Küste. Was passiert dort?
Über dem Wasser hat er sich ein bisschen abgeschwächt, aber er zieht weiter bis an Land. Dort fehlt ihm warmes Wasser als Energiequelle, er wird dann schwächer, erreicht aber immer noch 155 Kilometer pro Stunde. Abgesehen davon wird der Sturm in Vietnam wohl mit Regenfällen von 200 bis 400 Litern Regen pro Quadratmetern einhergehen. Das ist mehr als vor dem Jahrhunderthochwasser in Bayern in diesem Frühjahr.
Wo in der Welt sind solche Stürme möglich?
Prinzipiell können sie überall um den 5. bis 30. Breitengrad südlich und nördlich des Äquators entstehen. Im Pazifik nennt man sie Taifun, im Atlantik Hurrikan. Dort erreichen die Wassertemperaturen die kritische Marke von 26,5 Grad. Direkt am Äquator ist es zwar genauso warm, doch es fehlt die Corioliskraft, die Erdrotation, die die Gewitter in Bewegung setzt.
Hat dieser Taifun etwas mit der Erderwärmung zu tun?
Wirbelstürme hat es schon immer gegeben. Es ist aber immer schwierig, solche Einzelereignisse in den sehr komplexen Zusammenhang Klimawandel einzuordnen. Messungen der letzten Jahrzehnte lassen keinen Trend in der Intensität oder Häufigkeit tropischer Stürme erkennen. Es gibt aber Modelle, die zwar nicht von einer Zunahme der Anzahl von Wirbelstürmen ausgehen, wohl aber davon, dass die einzelnen Ereignisse extremer werden könnten.
In der Sturmschneise sind 70 bis 80 Prozent aller Häuser zerstört worden. Bis zu welcher Windgeschwindigkeit kann man Häuser sicher bauen?
Na ja, man könnte einen Bunker bauen. Natürlich waren viele Häuser in dieser armen Region schlecht gebaut, aber auch an stabilen Gebäuden in Mitteleuropa würden solche extremen Böen von 360 Stundenkilometern massive Schäden verursachen.
Wie lange im Voraus lässt sich so ein Sturm vorhersagen?
Genaue Voraussagen sind ein bis zwei Tage möglich, das ist aber von Sturm zu Sturm unterschiedlich. Schon kleine Änderungen, etwa schwankende Wassertemperaturen, können den Weg oder die Intensität des Sturms verändern.
Die Taifunsaison dauert von Juni bis Ende Herbst. Haben es die Philippinen jetzt erst mal überstanden?
Leider nicht, dort entwickelt sich gerade ein neues Unwetter, eine „tropische Störung“. Sie wird dem Land viel Regen bringen, das können bis zu 100 Liter pro Quadratmeter werden. Für die betroffenen Gebiete ist das natürlich katastrophal.
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