Mesut Özils Lupfer: Die Kunst der Demütigung
Das 3:2 von Arsenal London in der Champions League zeigt mal wieder: Bei Traumtoren zählt nichts mehr als das Scheitern des Gegners.
Beim Fußball hat Kunst immer etwas mit Demütigung zu tun. Ohne Gegner, der sich überrumpeln lässt oder – noch besser – sich in den Weg stellt und wirft, der mit aller und häufig letzter Kraft versucht, zu verhindern, was nicht zu verhindern ist, ist alles nichts. Ohne gedemütigten Gegner ist es keine Kunst, sondern nur ein Tor. Eine Ergebnisveränderung.
Hätten die englischen Verteidiger Diego Maradona im WM-Viertelfinale 1986 nicht Bein um Bein in den Weg gestellt und am Ende auch noch die Grätsche gemacht, der Treffer des Argentiniers wäre nie zum Tor des Jahrhunderts gewählt worden.
Hätte (wieder) Englands Keeper Joe Hart im November 2012 den Ball ordentlich geklärt oder wäre er einfach im Tor geblieben, Zlatan Ibrahimović wäre nie auf die wahnsinnige Idee gekommen, es einfach mal aus 25 oder 30 Metern mit einem Fallrückzieher zu versuchen: 4:2 für Schweden.
Auch Milan Borjan riskierte am Dienstagabend alles, um ein Kunstwerk nicht entstehen zu lassen – und machte so erst eines daraus. Aus der Hocke springt der Torwart des bulgarischen Meisters Ludogorets Rasgrad ab, er wuchtet seinen Körper nach oben, streckt sich, lässt sich nach hinten fallen, doch es fehlen Zentimeter. Er ist weit draußen aus seinem Tor. Es wäre Handspiel gewesen. Ihm egal.
Da riskiert man was
Es steht 2:2 in Sofia beim Champions-League-Spiel zwischen Rasgrad und dem FC Arsenal aus London. Das Hinspiel hatten die Bulgaren zwei Wochen zuvor 0:6 verloren. Nun sind 86 Minuten gespielt. Ein Punkt ist nah. Da riskiert man schon mal alles.
Nach dem Lupfer über den Torwart, der so knapp über diesen hinweg fliegt und so kurz hinter ihm aufkommt, als wollte das Schicksal nochmal schnell Hallo sagen bevor es sich doch gegen Borjan entscheidet, schmeißen sich auch noch José Luis Palomino und Cosmin Moti dem Künstler in den Weg.
Empfohlener externer Inhalt
Doch Mesut Özil, dem sonst immer vorgeworfen wird, dass er zum Vegetarier würde, wenn es um die Wurst geht, lässt die beiden einfach ins Leere springen und dann rechts liegen. Er schiebt den Ball ins Tor. 3:2 für Arsenal nach 0:2-Rückstand.
Die Londoner stehen im Achtelfinale, die Spieler von Rasgrad waren an einem Kunstwerk beteiligt. Immerhin.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Auf dem Rücken der Beschäftigten