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Messungen der UmwelthilfeKlimakiller strömt aus dem Gasnetz

Umweltschützer haben Emissionen des extrem klimaschädlichen Methan bei der Energieinfrastruktur dokumentiert. Teils wird das Gas bewusst ausgeblasen.

Quelle von Methan-Emissionen: Gasförderanlage in Niedersachsen Foto: Daniel Reinhardt/dpa

Hamburg taz | Bunte Bilder verraten es: Die norddeutsche Gasinfrastruktur setzt an vielen Stellen das starke Treibhausgas Methan frei. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und die Clean Air Task Force (CATF) haben mit einer Spezialkamera Pipelines, Verdichter, Förder- und Speicheranlagen gefilmt und damit an vielen Stellen dokumentiert, dass dort das Gas austritt – als wesentlicher Bestandteil des Heizgases.

„Die Gasindustrie hat ihre eigenen Emissionen nicht im Griff“, sagte DUH-Geschäftsführer Sascha Müller-Kraenner bei der Präsentation der Ergebnisse am Mittwoch vor der Presse, „das zeigen unsere Aufnahmen.“ Müller-Kraenner pocht deshalb darauf, die im vergangenen Jahr in Kraft getretene Verordnung der EU zur Verminderung des Methan-Ausstoßes tatsächlich umzusetzen und nicht gleich wieder zu verwässern.

Was Methan so gefährlich macht, schildern EU-Parlament und -Rat in der Einleitung zu der Verordnung. „Methan ist für ein Drittel der Klimaerwärmung verantwortlich“, heißt es gleich im ersten Satz. Zwar bleibt es nicht so lange in der Atmospäre wie das bedeutendste Treibhausgas CO2 – doch in einem Zeitraum von 20 Jahren ist sein Effekt 80-mal größer als der von CO2.

Die DUH und die CATF besichtigten vom 2. bis 5. Juni 26 Gas-Anlagen in Deutschland. Bei 17 Anlagen in Niedersachsen, Bremen und Hamburg dokumentierte Théophile Humann-Guilleminot von der CATF Methanemissionen, an drei Standorten zusätzlich das Abfackeln des Gases.

Betreiberfirmen widersprechen der Umwelthilfe

Die höchste Ausblasung, die CATF jemals dokumentiert hat, filmte Humann-Guilleminot an der Verdichterstation von Open Grid Europe (OGE) in Wardenburg. Das sei „genau die Art von großflächigem Methan­ausstoß, den die EU-Methanverordnung eigentlich verhindern soll“, sagte Humann-Guilleminot bei der Pressekonferenz, „und dennoch geschah er: routinenmäßig und unkontrolliert“.

OGE widerspricht: Die Verdichterstation sei für Bauarbeiten am Netz außer Betrieb gesetzt und mit Stickstoffgas befüllt worden. Zur Wiederinbetriebnahme wurde der Stickstoff mit Erdgas aus der Leitung gedrückt, wobei sich beide Gase vermischten, was die DUH aufgezeichnet habe.

Nach der europäischen Verordnung zur Reduzierung der Methanemissionen (Art. 15 Abs. 3j 2024/1787 EU-Verordnung) ist bei der Inbetriebsetzung von Anlagen, wie der NETRA-Verdichterstation Wardenburg, eine Ausspülung eines derartigen Gemisches technisch unvermeidbar und rechtlich zulässig“, teilt OGE mit. „Wir reduzieren uns aber auch hier auf das unvermeidbare Minimum.“ Die 200 Kubikmeter freigesetzen Erdgases entsprächen einem Zehntel des jährlichen Erdgasverbrauchs eines Einfamilienhauses.

Auch die Firma Exxon Mobile, an deren Produktionsanlagen Gasemissionen festgestellt wurden, verwies auf „notwendige und unvermeidbare“ Ausnahmen, die von der Verordnung geregelt seien. Seit der Veröffentlichung der Verordnung vor einem Jahr habe Exxon intensiv gemessen sowie Leckage- und Reparaturprogramme an den eigenen Anlagen gefahren. Die Erkenntnisse der DUH seien nicht objektivierbar. Exxon werde diese intensiv prüfen.

Umwelthilfe hofft auf Methanverordnung

Zur Kritik der DUH am Gaskavernenspeicher im ostfriesischen Etzel teilte die Eigentümerfirma Storag mit, bislang seien keine Emissionsgrenzwerte überschritten worden. Das werde auf dem Kavernenfeld und den Betriebsanlagen regelmäßig gemessen.

Die am Kavernenspeicher Lesum bei Bremen beobachtete Freisetzung ist laut dem Betreiber Storengy „auf einen bauartbedingten, sicherheitstechnischen Vorgang zurückzuführen, der bei Inbetriebnahme der Anlage den sicherheitstechnischen Standard darstellte“. Storengy habe bereits eine technische Lösung ins Werk gesetzt, um die Emissionen zukünftig zu vermeiden. Storengy untersuche und repariere seine Anlagen regelmäßig nach den Vorgaben der Methan-Verordnung.

Zu der Verordnung ließ die DUH bei der Fachanwältin Cornelia Ziehm ein Gutachten erstellen. Demzufolge sieht die Methan-Verordnung nicht nur Überwachungs-, Berichts- und Reparaturpflichten sowie Verbote vor. Sie etabliere darüber hinaus „ein eigenständiges Beschwerdeinstrument für die Zivilgesellschaft“. Dabei reiche es schon, die bloße Möglichkeit eines Verstoßes gegen die Verordnung geltend zu machen.

DUH-Geschäftsführer Müller-Kraenner hofft sehr, dass die aktuelle Verordnung ihre Zähne zeigen kann. Mit Investitionen gegen den Methanausstoß lasse sich „kurzfristig mit überschaubarem Aufwand“ etwas gegen den Klimawandel tun.

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