Merz gratuliert Angela Merkel: Versuch einer Annäherung
Die CDU würdigt Altkanzlerin Angela Merkel zum 70. Für die Partei spricht ihr alter Widersacher Merz, der jetzt Kanzlerkandidat ist. Geht das gut?
![Friedrich Merz überreicht Angela Merkel Blumen Friedrich Merz überreicht Angela Merkel Blumen](https://taz.de/picture/7264091/14/Merkel-1.jpeg)
Merkel kennt Bredekamp über ihren Mann Joachim Sauer – beide sind Professoren an der Berliner Humboldt Uni – und hatte sich den Kunstgeschichtler als Festredner gewünscht. Was die ehemalige Kanzlerin sonst über die Veranstaltung denkt, ist lange nicht leicht zu ergründen. Im Stream, der immer wieder von der Bühne zu ihr ins Publikum schwenkt, sieht man mal das altbekannte Merkel-Pokerface, aber manchmal auch ein verschmitztes Lächeln.
Es ist eine komplizierte Konstellation: Ausgerechnet ihr alter Widersacher Friedrich Merz, der inzwischen CDU-Parteichef und Kanzlerkandidat der Union ist und die Partei gezielt vom Merkelismus nach rechts führt, gratuliert ihr im Namen der CDU in einer Ansprache. Auch für Merz ist das keine ganz leichte Übung. Kann das gut gehen?
Anders als früher findet die Geburtstagsfeier nicht in der CDU-Zentrale statt, sondern in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften am Gendarmenmarkt. Merkel und Merz kommen gemeinsam in den Saal, hinter ihnen läuft Markus Söder. Das sieht schon mal versöhnlich aus – zwischen Merkel und Merz. Das Publikum im Saal, 200 Gäste sind gekommen, steht auf und applaudiert. Merkel nimmt Platz, rechts von ihr sitzt ihr Ehemann, links Merz, der dann auf die Bühne marschiert.
„Liebe Angela“
Der CDU-Chef würdigt die „liebe Angela“ als „Persönlichkeit, die unser Land geprägt hat“, lobt ihre Führung in der Euro- und Coronakrise und zitiert tiefsinnig Hannah Arendt: Letztlich sei es an Historikern, ein Urteil über Regierungen zu fällen. Er betont, welche Rolle Freiheit für Merkel spielt, die die Hälfte ihres Lebens in der DDR verbracht hat. Auch im neuen Grundsatzprogramm der CDU finde sich der Begriff Freiheit an zentraler Stelle.
Das kann man als Versuch deuten, Gemeinsamkeit zwischen Merkel und der Merz-CDU zu schaffen. In dem Programm gibt es aber auch all die Passagen, in denen die Partei bewusst mit der Merkel-Ära bricht. „Wir wollen die Kontrolle über die Migration zurückerlangen“, steht da etwa. Und: „Der Islam, der unsere Werte nicht teilt und unsere freiheitliche Gesellschaft ablehnt, gehört nicht zu Deutschland.“
Doch Merz will an diesem Abend nicht sticheln. Er gratuliert und äußert gar die Hoffnung, dass Merkel der Partei gewogen bleibe, „der du angehörst, nicht nur nahestehst“. Eine Anspielung auf einen Versprecher Merkels kurz vor der Bundestagswahl 2021, die nicht fies, sondern einladend klingt. Merkel lächelt.
„Lieber Friedrich“
Merkel hatte Merz 2002 vom Vorsitz der Unionsfraktion verdrängt, dieser hat das lange nicht verschmerzt, seitdem gilt ihr Verhältnis als zerrüttet. Merz, der damals aus der Politik ausstieg, hat Merkel als Kanzlerin scharf kritisiert, ihre letzte Amtszeit gar als „grottenschlecht“ bezeichnet. Sie wiederum hat keinen großen Hehl daraus gemacht, dass sie ihn nicht vermisst. Nach dem Ende ihrer Kanzlerschaft hat Merkel CDU-Veranstaltungen gemieden, zu Parteitagen kam sie nicht, aus der Konrad-Adenauer-Stiftung zog sie sich zurück. Eine Entfremdung.
Als Merkel nach dem Vortrag des Kunsthistorikers Bredekamp selbst ans Redepult tritt, ist davon nichts zu spüren. Sie betont, dass „wir als christlich-demokratische Union“ mit dem christlichen Menschenbild für die Herausforderungen der Zeit gut gerüstet seien. Und gratuliert Merz zur Kanzlerkandidatur. „Lieber Friedrich, jeder weiß, dass wir in unserem politischen Leben Höhen und Tiefen hatten“, sagt sie. „Kanzlerkandidat der Union ist etwas ganz Besonders, Ehre und Auftrag zugleich. Ich wünsche Dir für die nächsten Monate alles Gute und viel Erfolg, für die Union und auch für unser Land.“
Am Ende dankt Merz Merkel für ihr Lebenswerk. Dann ein Händedruck, Blumen für die Altkanzlerin und ab zum Empfang. Es ist gut gegangen. Vielleicht sogar mehr als das. Es könnte ein zartes Zeichen der Annäherung zwischen den alten Antagonisten sein.
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