Merkels Sommer-Pressekonferenz: Der Herbst der Kanzlerin
Bescheiden inszeniert sich Angela Merkel in der Bundespressekonferenz. Von der Flüchtlingskanzlerin ist nicht viel geblieben.
Die zentrale Botschaft lautet: „Wir haben die Coronakrise gut bewältigt.“ Man könne „einigermaßen zufrieden sein“. Natürlich warnt Merkel vor dem, was das Virus im Winter anrichten kann. Es gibt drei Ziele: Die Schulen müssen funktionsfähig, die Wirtschaft müsse intakt bleiben. Und es gelte, besonders verletzliche Gruppen, Pflegebedürftige, Familien in kleinen Wohnungen, Kleinunternehmer, KünstlerInnen besser zu schützen. Nein, Fehler habe die Regierung nicht gemacht, sondern stets der Lage entsprechend ihre Politik justiert.
Auf die Frage, was ihr denn seit ihrem berühmten „Wir schaffen das“-Satz selbst zu schaffen gemacht habe, antwortet sie vergnügt: „Nichts. Ich bin ja noch da.“ Ansonsten ist sie der Krise entsprechend ernst. Es gab schon heiterere Auftritte.
Die mannigfachen, kreativen Versuche, Persönliches von ihr zu erfahren, lässt sie professionell an sich abperlen. Seit Corona könne sie eben nicht mehr reisen, aber, so ist zu erfahren, sie schätzt Videokonferenzen, jedenfalls wenn es nicht mehr als 15 Teilnehmer sind. Wenn man sich kennt, sei das gar nicht mal schlechter als ein Treffen vis-à-vis. Allerdings mit einer Einschränkung: Leider wisse man ja nie, wer bei Videokonferenzen so zuhört.
Ein biblischer Satz universell verwendbar
Ist sie nach 15 Jahren nicht froh, sich nicht mehr um den CDU-Parteitag im Dezember und den Wahlkampf sorgen zu müssen? Alles habe seine Zeit, sagt Merkel, schnell und direkt, als gelte es einen Brand auszutreten. Dieser biblische Satz ist universell verwendbar und taugt in seiner Allgemeinheit als ideale Formel, um sich gegen neugierige Blicke zu wappnen. „Es ist kein Nachteil, dass ich mich vollständig auf das Regieren konzentrieren kann“, sagt Merkel, die es wie niemand vor ihr verstanden hat, Bescheidenheit zu einer Demonstration sanfter Macht zu machen.
Jede Frage nach ihrer Befindlichkeit, etwa was sie als Ex-Kanzlerin machen werde, lässt sie ins Leere laufen. Darüber habe sie sich noch keine Gedanken gemacht. Sie werde „erst mal weiterarbeiten“ und sei „optimistisch“, dass sich schon irgendwas finden lasse. Das ist perfektes Understatement, unprätentiös und recht preußisch.
Alle Ich-Fragen lenkt sie ins Unverbindliche, um von dort zielsicher auf künftige Aufgaben wie die Förderung der Wasserstofftechnologie zu sprechen zu kommen. Die scheinbare Abwesenheit des Egos, eine für CDU-Politiker recht seltene Eigenschaft, ist ein Grund für Merkels dauerhaften Erfolg. Sie bietet wenig Angriffsflächen.
Die Kanzlerin lobt das Ziel, dass Europa 2050 der erste klimaneutrale Kontinent sein will. Sie lobt auch ausdrücklich die deutsch-französische Initiative in der EU, um die Coronafolgen zu dämpfen. Deutschland könne und müsse mehr tun als andere, um die EU zu stabilisieren, sagt sie. Das war nicht immer so, in der Finanzkrise 2009 hat sie das anders gesehen.
Sie warnt davor, immer das größere Bild zeichnend, wegen des Falls Nawalny die Russlandpolitik hektisch zu verschärfen oder nun die Nordstream-2-Pipeline infrage zu stellen. Man müsse Russland als geostrategischen Akteur betrachten, ohne den in Syrien wenig geht. In Belarus gelte es zu deeskalieren, desgleichen im Streit zwischen der Türkei und Griechenland.
Ein Lob des Erreichten
Politisch neu ist all das nicht. Der Zweck des Auftritts ist nicht, eine Nachricht zu promoten, sondern das Erreichte zu loben, das Kommende zu skizzieren und Sicherheit auszustrahlen.
Ist von der Flüchtlingskanzlerin noch etwas geblieben? Sie würde die wesentlichen Entscheidungen wieder so treffen, sagt sie. Dass Deutschland 2020 bei den überfüllten Flüchtlingslagern in Griechenland helfen kann, glaubt sie aber kaum. Thüringen, Berlin und manche Kommunen würden gern Flüchtlinge aufnehmen, CSU-Innenminister Seehofer hat das verboten. Merkel steht da 2020 hinter Seehofer.
Wenn wir mehr Flüchtlinge aufnehmen würden, so Merkel, wäre eine europäische Lösung noch ferner. Außerdem würden die Bundesländer bei den Kosten für neue Flüchtlinge ja doch wieder beim Bund die Hand aufhalten.
Das ist nicht neu. Aber es erinnert daran, dass es in dem scheinbar sanften, ausgleichenden Merkelismus immer auch eine Kältekammer gibt.
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