Merkel zu Besuch in Moskau: Ein starkes Symbol zum Abschied

Die Kanzlerin besucht zum letzten Mal Wladimir Putin. Genau vor einem Jahr wurde der Kremlkritiker Alexei Nawalny vergiftet.

Die junge Angela Merkel und Vladimir Putin

Da ging noch was: Merkel, damals noch nicht Kanzlerin, 2002 bei Putin zu Besuch in Moskau Foto: ITAR-TASS/picture alliance

MOSKAU taz | Manchmal lassen sich Symbole ganz bewusst einsetzen. Für ihren Moskau-Besuch, den letzten als Bundeskanzlerin, hat sich Angela Merkel einen speziellen Tag ausgesucht. Einen, der eben symbolhaft ist für den Knacks in den deutsch-russischen Beziehungen, und der dafür steht, wie die lange Zeit stetige Vertrauensbasis zwischen Berlin und Moskau zu einer großen Enttäuschung wurde. Letztlich auf beiden Seiten.

An diesem Freitag jährt sich die Vergiftung des russischen Oppositionspolitikers Alexei Nawalny. Ein Tag, der als Zäsur für die Achse Moskau–Berlin zu sehen ist. Das distanzierte und doch respektvolle Verhältnis Merkels zu Putin wich in diesem Moment der Resignation, ja einer Kälte, wie es sie zuvor kaum gegeben hatte – bei Syrien nicht, auch nicht bei der Ukraine.

Der „versuchte Giftmord“ samt „schwerwiegenden Fragen, die nur die russische Regierung beantworten kann und muss“, wie Merkel nach dem Anschlag auf Nawalny sagte, zeigt, wie unvereinbar der Blick auf die Welt zwischen den beiden Staaten mittlerweile ist. Doch Merkel wird auch an diesem Freitag auf ihren realpolitischen Pragmatismus setzen, um bei Fragen zu Afghanistan, Belarus, der Ukraine, Syrien und auch Nord Stream 2 zumindest die Positionen abzuklären. Wie denn auch nicht?

Die „schwerwiegenden Fragen“ hat die russische Regierung nicht beantwortet, natürlich nicht. Sie stichelt lieber weiter. Just vor dem Merkel-Besuch veröffentlichte das russische Außenministerium ein Statement, in dem Berlin eine Führungsrolle beim „künstlich geschaffenen Hype um Nawalny“ zugesprochen wird. Die „gezielte Provokation“ hätten „Deutschland und seine Verbündeten“ gewählt, um „Russland in den Augen der Weltgemeinschaft zu diskreditieren“, auch mit dem „Ziel, sich in die inneren Angelegenheiten vor der Duma-Wahl einzumischen“.

Draht nach Europa

Der „Fall Nawalny“ sei „inszeniert“ worden, um die „Strategie“ der Deutschen „zur Eindämmung Russlands“ zu verfolgen. Mit solchen Mitteilungen steuert man nicht auf eine Verbesserung der Beziehungen hin. Beziehungen, die in vielen Bereichen so eng sind.

19 Mal war Merkel bereits in Russland bei Putin, sie war auch sein Draht nach Europa, beständig, nüchtern, beschlagen. Während andere Staatschefs gingen und neue kamen, war sie da. Geblieben, wie auch er. Sie haben gelernt, miteinander umzugehen. Putin testete die Deutsche stets gezielt, Merkel ließ seine Provokationen ins Leere laufen und sagte ehrlich, was sie von Russlands Politik hält.

Sie hielt seinem starren Blick stand, hielt es trotz Hundeangst aus, dass sich sein Labrador Koni in Sotschi zu ihren Füßen legte, nahm später Mantel und Rosen von ihm an. Persönliche Befindlichkeiten stellte sie stets hinten an. Auch bei Putin.

Im Kreml hält man die Europäer zwar oft für naiv, Anbiederung aber kommt gar nicht gut an. Für das ehrliche Eintreten für ihre Überzeugungen respektieren die Russen Merkel, auch wenn sie diese Überzeugungen so gar nicht teilen. Putin wie Merkel setzen auf Sachlichkeit. Das Drumherumreden, ob nun auf Deutsch oder Russisch, ist beider Sache nicht. Beide kennen sich in ihren Themen aus, was nicht selten zu einem hartem Dialog führte.

Stets auf der Hut

Merkel spricht stets die Verletzungen von Menschenrechten an, die stetige Aushöhlung der Pressefreiheit in Russland, die Morde an Regimekritikern. Der Kreml reagiert nicht selten beleidigt und schätzt doch die nüchterne, ja unideologische Haltung Merkels. Vor Putin aber blieb die 67-Jährige stets auf der Hut. Sie kennt schließlich die Mechanismen sowjetischen Machtgebrauchs. Bis heute sind sie aus der Regierungsweise Moskaus nicht verschwunden.

Merkels Beziehung zu Russland ist allein schon aus ihrer Biografie heraus eine besondere. Bereits als junge Frau erlebt sie eine große Verbundenheit zum Land – damals zur Sowjetunion –, begeistert sich für die Sprache, die Literatur, reist in den 1970ern nach Moskau und Leningrad, das heutige Sankt Petersburg, trampt durch den Kaukasus.

Kein Kanzler der BRD vor ihr hatte eine solche Nähe zu Russland. Auch Putins Nähe zu Deutschland ist eine besondere. „Ähnliche Mentalitäten“ hatte der 68-Jährige einst sich und Merkel bescheinigt. Ein großer Irrtum. Denn die wohl größte Zäsur in ihrem eigenen Leben bewerten beide völlig gegensätzlich. Während mit dem Ende der DDR sich für Merkel eine neue Welt öffnete, betrauert Putin bis heute das Ende der Sowjetunion. Er ist der „KGBschnik“ geblieben, zu dem er ausgebildet worden war, einer, der die Welt in Einflusssphären einteilt und skrupellos genug ist, militärische Kraft einzusetzen, um eigene Interesse zu verfolgen. Oft in Geheimoperationen.

Merkel hält das für vorgestrig. Sie setzt auf Ausgleich und erlebt, trotz ihres tiefen Verständnisses für Russland, immer mehr Ratlosigkeit einem Staat gegenüber, dessen Präsident immer noch gerne den kalten Krieger gibt.

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