Merkel erklärt GM-Tochter zur Chefsache: Opel braucht Staatshilfe
Bürgschaften von einer Milliarde Euro sollen Opel gegen die drohende Pleite der Konzernmutter General Motors absichern. Die Betriebsräte warnen vor Panik: "Reine Vorsichtsmaßnahme".
Die Krise des Autobauers Opel wird zum Wahlkampfschlager. Bei gleich drei Treffen mit Managern und Betriebsräten wollen CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundesfinanzminister Peer Steinbrück und auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (beide SPD) am Montag und Dienstag Hilfsmöglichkeiten für die Tochter des angeschlagenen us-amerikanischen Automobilkonzerns General Motors (GM) ausloten.
Steinbrück hatte schon in der Nacht zum Samstag am Rand des Weltfinanzgipfels in Washington bestätigt, er werde zusammen mit Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) und Vertretern der Länder über Hilfsmöglichkeiten für Opel beraten. "Wir werden um jeden Job kämpfen", kündigte SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier auf dem Landesparteitag der thüringischen Sozialdemokraten an. Danach lud auch Kanzlerin Merkel zum Krisengipfel, erklärte Opel zur Chefsache.
Deutschlands Opel-Chef Hans Demant hatte am Freitag morgen Finanzminister Steinbrück um Hilfe gebeten. Auch die Regierungschefs von Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Thüringen, wo der Autobauer in Rüsselsheim, Bochum, Kaiserslautern und Eisenach Werke mit insgesamt über 25.000 Arbeitsplätzen unterhält, erhielten Anrufe.
Der Opel-Chef bat dabei um Bürgschaften des Bundes und der Länder, der rheinland-pfälzische SPD-Ministerpräsident Kurt Beck sprach von rund einer Milliarde Euro. Es gehe um die Sicherung der "Wettbewerbsfähigkeit von Opel auch in dieser global schwierigen Situation", so Demant.
Schwierig ist besonders die Situation der amerikanischen Konzernmutter GM. Wie seine Konkurrenten Ford und Chrysler leidet der ehemals größte Autobauer der Welt unter veralteten Produktionsstrukturen, vor allem aber an einer völlig verfehlten Modellpolitik: Das Angebot besteht vor allem aus benzinfressenden, technisch überholten Autos und so genannten Light Trucks, also überdimensionierten Geländewagen. In den vergangenen Monaten machte GM 3,1 Millionen Dollar Verlust pro Stunde.
Der größte der "Big Three" verliert jeden Monat rund eine Milliarde Dollar. GM könnte deshalb noch im Dezember das Geld ausgehen. Ende September verfügte der Konzern noch über 16,2 Milliarden Dollar. Etwa 14 Milliarden Dollar aber seien zur Aufrechterhaltung des operativen Geschäfts nötig, schätzen Experten, sonst kann der Autobauer nicht alle Zulieferer bezahlen. Die könnten den Konzern nicht nur in einen Insolvenzantrag treiben: Ohne Teile kann GM erst recht keine Autos mehr bauen.
Die deutsche Milliardenbürgschaft soll Opel gegen Zahlungsausfälle aus den USA absichern: GM schulde seiner Tochter Opel noch mehr als eine Milliarde Euro für Entwicklungsleistungen, etwa für das neue Elektroauto Volt, das am Opel-Stammsitz Rüsselsheim entwickelt wurde, aber zunächst in den USA vermarktet werden soll, so Betriebsräte.
"Wir müssen davon ausgehen, dass die Milliarden-Forderungen von Opel an General Motors bei einer Verschärfung der Situation in den USA von GM nicht mehr bedient werden können", warnt der Opel-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Klaus Franz. Damit seien Investitionen gefährdet - bis 2012 will Opel 20 neue Modelle auf den Markt bringen.
Bürgschaften der Bundesrepublik machten ohne eine Rettung von GM keinen Sinn, glaubt dagegen der Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen. "Geld fließen zu lassen, ohne zu wissen, was in den USA gemacht wird, ist hochsträflich", so der Professor zur taz. Eine "Kurzschlussreaktion" seien die Krisengipfel Merkels, Steinbrücks und Steinmeiers. Die Bundesregierung habe die Krise von GM und Opel wie die Wirtschaftsministerien der Länder monatelang verschlafen: "Berlin hat keine Ahnung, wie es in Deutschland aussieht."
Ohne ein Gesamtkonzept drohten die deutschen Bürgschaften in den Staaten zu versickern. Ein Zusammenbruch des Autobauers aber könne allein in Deutschland über 100.000 Arbeitsplätze kosten. "Nötig wäre ein Treffen von Merkel mit Obama und Bush."
Doch auch in den USA kämpfen GM-Manager wie Gewerkschafter um eine Rettung des Konzerns. Wie das Wall Street Journal berichtet, machen einflussreiche Mitglieder des Verwaltungsrates, Erskine Bowles, einst Stabschef von US-Präsident Bill Clinton, und John Bryant, einer der Organisatoren von Obamas Präsidentschafts-Kampagne, Druck auf den Kongress, das Weiße Haus und den designierten Präsidenten Barack Obama.
Schon jetzt wollen die Demokraten Autoherstellern den Zugang zum 700 Milliarden Dollar schweren Rettungspaket für die Finanzbranche gewähren. Die Republikaner wollen dagegen, das Kredite von 25 Milliarden Euro, die eigentlich für die Entwicklung umweltfreundlicherer Autos geplant waren, freigeben werden. Wenn GM, Ford und Chrysler abstürzten, stünden die USA "zweifellos vor einer Depression", sagt Ron Gettelfinger, Chef der Autogewerkschaft United Auto Workers (UAW) - der Kollaps der Großen Drei könne eine katastrophale Kettenreaktion auslösen, bis zu drei Millionen Jobs seien in Gefahr.
Auch die deutschen Betriebsräte setzen auf eine Rettung durch die USA. "Das Problem ist GM", sagt der Bochumer Betriebsratschef Rainer Einenkel. Die Bürgschaften der Bundesrepublik dürften nur für die Sicherung von Arbeitsplätzen in Deutschland verwandt werden, fordern die Arbeitnehmervertreter, warnen aber vor Panik: "Opel hat kein Liquiditätsproblem, es geht um eine reine Vorsichtsmaßnahme."
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