Menstruation auf Festivals und in Clubs: Blut im Schuh
Wer menstruiert, wird auf Festivals oft nicht mitgedacht. Auch unsere Autorin hat das erlebt – und Orte besucht, an denen es besser klappt.
E s ist sehr heiß, staubige Luft, die Tanzenden strecken die Arme in die Höhe, die Musik ist so laut, dass mein Körper vibriert. Ich stehe direkt vor der Bühne, schaue hoch zum Himmel über dem Festival und denke: jetzt ist Sommer. Auf einmal steht der hübsche Conny vor mir, in Tiger-Leggings, und lächelt mich an – da läuft Blut an meinen Beinen herunter.
Alle Menschen, die menstruieren, kennen dieses Gefühl, die Mischung aus Ungläubigkeit und Wiedererkennen, wenn die Periode einsetzt. Das Gefühl überrascht, und oft, wie in meinem Fall, kommt sie auch noch in einem denkbar ungünstigen Moment. Ich stand im gepunkteten Sommerkleid auf dem Festivalgelände zusammen mit vierzigtausend anderen Menschen. Conny sagte etwas Freundliches. Ich starrte auf den Glitzer an seinen Wangen und hatte Blut in den Flip-Flops. Dann gab ich ein beschämtes Schnaufen von mir, bevor ich rückwärts davon stolperte.
Das Blöde an Menstruationsblut ist, dass es erbarmungslos aus einem herausläuft – und dabei alles rot färbt. Keine gute Kombination, vor allem dann, wenn man ausgeht.
Alle, die schon mal in einem Berliner Club, auf einer wilden Party oder auf einem Festival waren, können Geschichten über Toiletten erzählen. Lustige Storys von Handys, die ins Dixi fallen, oder von acht Leuten in einer Kabine. Jene Menschen, die circa alle 22 Tage drei bis fünf Tage mehr oder weniger stark bluten, lachen bei überfüllten Club-Klos allerdings selten. Wenn es wieder keine Mülleimer in den Kabinen, kein Papier und eh nichts zum Händewaschen gibt, endet die Feierlaune schnell.
Händewaschen ist blutiger Ernst
Denn Fakt ist: An den Tagen, an denen wir eh schon erschöpft sind, weil wir Rücken- und Bauchschmerzen haben, ist zum Beispiel Händewaschen kein höfliches Add-on, sondern blutiger Ernst. Wir erleben dann, nicht mitgedacht zu werden, in der Regionalbahn wie im Technoclub. Obwohl wir denselben Eintritt wie die Männer zahlen, fehlt es an Basisversorgung. Manchmal legt ein DJ auf der Toilette auf, aber selbst das kann nicht darüber hinwegtrösten, dass fast überall unwirtliche Bedingungen herrschen.
Als mich auf dem Festival die Zwischenblutung erwischte, machte ich mich auf den langen Weg zum Eingang, um nach „Hygieneartikeln“ zu fragen. Dort angekommen bekam ich den Hinweis, am Geländeausgang gebe es Flinta-Toiletten, allerdings hätten auch die kein Papier mehr und seien eben so sauber, wie es halt an einem Festivalsonntag zu erwarten sei. Ich entschied, wie so oft seit 20 Jahren, mich zurückzuziehen. Das bedeutete konkret, mir einen Socken in den Schlüppi zu stopfen und mich humpelnd auf den langen Rückweg zu machen.
Der Ausdruck Hygieneartikel lässt mich an meine biedere und sehr kurze Sexualaufklärung im ruhigen Zehlendorf denken. Die so bezeichneten Produkte sind keine woken Accessoires, sondern schlicht notwendig. Aber warum wird dieser Fakt immer noch nicht bedacht, wenn Partys oder Festivals geplant werden?
Für Lena Olvedi, Erfinderin des „Missoirs“, des ersten auf Flinta ausgerichteten Urinals, ist das eine Frechheit: „Studien zeigen, dass Männer in Clubs etwa 11 Sekunden warten müssen, um zu pinkeln. Bei Flinta sind es mindestens 6 Minuten – also 33 Mal länger!“ Der Grund sei, dass es dort bisher nur für Männer Urinale gibt und Periodenprodukte so gut wie immer fehlen. „Clubtoiletten zeigen, wessen Bedürfnisse mitgedacht werden und wessen nicht“, sagt Olvedi.
Es gibt aber auch Beispiele, wie es besser laufen kann: das Menstruationszelt etwa, das die Agentur „Goalgirls“ für Festivals entworfen hat. An dessen Eingang steht der Spruch: „Willkommen im inner (Cycle)“. Die Festivals „Immergut“ und „Lollapalooza“ haben bereits diese sogenannten Red Tents eingerichtet. Sie bieten neben Ruhe auch die Möglichkeit zum Austausch, kostenlose Binden und Tampons, aber vor allem saubere Toiletten mit fließend Wasser.
Ein „rotes Zelt“ ist eine schöne Idee, aber wie wäre es damit, allen einen Toilettenzugang zu ermöglichen, wenn sie diesen benötigen? Nicht nur im Feierkontext, sondern auch in Schulen, im gesamten öffentlichen Raum? Immerhin menstruieren auf einer Party im Schnitt wohl etwa 20 Prozent der Menschen. Es wären wohl noch mehr, wenn nicht so viele Personen aufgrund ihrer Periode gleich zu Hause bleiben würden, was auch für die Schule oder die Uni gilt.
Es ist eine Form der Ausgrenzung. Circa drei Tage oder länger geht eine Blutung. Während der Perimenopause oder nach einer Schwangerschaft kann sie über Wochen anhalten. Sollen Frauen in dieser Zeit nicht mit der Bahn fahren und draußen unterwegs sein? Es ist ein Problem, das für fast die Hälfte der Bevölkerung 30 Lebensjahre lang Realität ist.
Um die Lage zu verbessern, können schon heute alle etwas tun. Stellen wir uns etwa vor, wir würden eine Clubtoilette so behandeln, wie unser Bad zu Hause bei einem heißen Date. Wenn wir also nicht überall hin pinkeln, vielleicht mal jemanden vorlassen, die es gerade dringender braucht, und kein Klopapier klauen. Ebenfalls charmant ist das Ritual einer Freundin: Sie lässt immer mal wieder einen frischen Tampon liegen, als kleines Geschenk für die Nächste.
Wir alle könnten im Kontext Klo einfach viel umsichtiger sein. Denn oft scheinen wir zu vergessen, dass echte Menschen nach uns die Toilette benutzen oder dort sauber machen. Danke an alle, die das täglich tun – ihr seid Heroes!
Die Menstruationsexpertin Danielle Keiser sagt, eine wichtige Aufgabe in der „Menstruationsrevolution“ sei es, über Zyklen, die Perimenopause oder Blutungen zu informieren. „Je mehr wir alle davon hören und lernen, desto normaler kann es werden“, so Keiser. Auch das Sexleben während der Periode gehöre normalisiert. Sexpartys könnten bewusst während der Periode besucht werden, um zu lernen, wie sich das anfühlt. In solchen Formaten solle auch die „gesamte emotionale, mentale und körperliche Stärke besprochen“ werden. „Solche Orte können uns allen einen natürlichen Umgang mit dem Thema beibringen, allerdings nur wenn sie eben auch fair zugänglich machen“, sagt Keiser.
Danielle Keiser, Menstruationsexpertin
Viel lernen kann man auch im Periodenladen „La Blutique“ in Friedrichshain. Die Mitarbeiter*innen beraten ihre Kund*innen von der ersten Blutung bis zur Menopause. Sie bieten auch vielfältige Workshops an: „queerfeministisch bis astrologisch, medizinisch bis somatisch, politisch bis psychedelisch“, heißt es auf der Website.
Bei einem dieser Workshops war ich kürzlich mit dem lieben Conny. Nach meinem unschönen Erlebnis auf dem Festival wollte ich das Thema einmal anders angehen. Conny und ich sprachen dort offen über Periodensex und ich konnte etwas von meiner alten Zehlendorfer Scham ablegen. Wir hörten eine erotische Geschichte über eine wilde Nacht mit viel Musik und Blut. Dazu gab es den „Hexe“-Periodendrink der Firma Einhorn, die „period positivity“ propagiert. Conny wurde von den anderen Teilnehmer*innen als mein Verbündeter, als „Blood Ally“ umschwärmt.
Was für ein schöner Abend. Ich begann, mein Verschwinden auf dem Festival zu hinterfragen. Vielleicht unterschätze ich doch andere im Umgang mit dem Thema? Ich fühlte mich entspannt und gar nicht mehr, als müsse ich mich zurückziehen, weil es „diese Tage im Monat“ für mich waren. Ich war in dieser milden Sommernacht einfach eine von den schätzungsweise 130.000 Berliner*innen, die körperlich gerade etwas Ähnliches erlebten. Am Ende unseres Besuchs in „La Blutique“ kaufte Conny mir eine Menstruationsunterhose im Tiger-Look. Ich war ganz gerührt und plötzlich voller Vorfreude aufs nächste Festival.
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