Menschenrechtsorganisation in Russland: Maas sorgt sich um Memorial

Der geschäftsführende Außenminister warnt vor der Schließung der russischen Nichtregierungsorganisation. Auch Grüne und FDP zeigen sich besorgt.

Bundesaußenminister Heiko Maas

Außenminister Maas: Allein die Vorstellung einer Schließung Memorials „muss jeden erschüttern“ Foto: Michael Sohn/ap

BERLIN afp/dpa | Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hat eindringlich vor einer möglichen Zwangsauflösung der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial durch die örtliche Justiz gewarnt. „Allein die Vorstellung, dass Memorial geschlossen werden soll, muss jeden erschüttern, der den jahrzehntelangen Einsatz dieser Organisation für Menschenrechte und für die Aufarbeitung von politischer Gewaltherrschaft kennt“, erklärte Maas am Freitag.

Memorial habe sich „mit mutiger, unermüdlicher Arbeit für die Bürgerinnen und Bürger Russlands große Verdienste erworben“. Aber auch für die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland sei eine unabhängige, kritische und professionelle Aufarbeitung der Geschichte unschätzbar wichtig, erklärte Maas und verwies dabei insbesondere auf die von Deutschen gegen Menschen in der Sowjetunion begangenen Verbrechen.

„Die russische Justiz muss das verbriefte Recht der engagierten Bürgerinnen und Bürger, sich frei in Vereinigungen zusammenzuschließen, schützen“, forderte Maas. Die politisch motivierte Verfolgung der kritischen Zivilgesellschaft müsse aufhören.

Memorial hatte am Donnerstag mitgeteilt, dass die russische Generalstaatsanwaltschaft beim Obersten Gerichtshof ihre Auflösung beantragt habe. Demnach wird der renommierten Organisation vorgeworfen, „systematisch“ gegen das Gesetz für „ausländische Agenten“ verstoßen zu haben. Die 1987 gegründete Organisation sprach von einer „politischen Entscheidung“ ohne Rechtsgrundlage.

Von dem Gesetz betroffene Organisationen, Medien oder auch Einzelpersonen sind verpflichtet, ihre Finanzquellen offenzulegen und sich bei allen Veröffentlichungen als gelisteter „ausländischer Agent“ zu erkennen zu geben. Memorial ist seit 2016 als „ausländischer Agent“ registriert, weil die Nichtregierungsorganisation teilweise aus dem Ausland finanziert wird. Das Oberste Gericht will am 25. November über den „Liquidierungsantrag“ der Generalstaatsanwaltschaft entscheiden.

Grüne bekunden Solidarität mit Memorial

Auch der Europarat warnte am Freitag vor einer möglichen Auflösung von Memorial. Dies wäre ein „verheerender Schlag“ für die Zivilgesellschaft in Russland, welche „eine essentielle Säule jeder Demokratie“ sei, erklärte die Generalsekretärin des Europarats, Marija Pejcinovic Buric.

Das Vorgehen der russischen Generalstaatsanwaltschaft bezeichnete Buric als „äußerst bedauerlich“. Das Gesetz über „ausländische Agenten“ stigmatisiere Nichtregierungsorganisationen, Medien und Einzelpersonen und habe in den vergangenen Jahren „repressive Auswirkungen auf die Zivilgesellschaft in Russland“ gehabt. Sie sprach von einer „politischen Entscheidung, die auf die Zerstörung von Memorial“ abziele.

Die Grünen zeigten sich nach Angaben von Parteichefin Annalena Baerbock ebenfalls in großer Sorge wegen der drohenden Schließung. Memorial zähle international zu den renommiertesten Menschenrechtsorganisationen, sagte Baerbock der dpa in Berlin. „Die Organisation darf nicht zum nächsten Opfer willkürlicher Kriminalisierung werden. Mit diesem Schritt würde sich Russland weiter aus dem europäischen Wertekanon entfernen“, warnte Baerbock.

„Wir wenden uns entschieden gegen das politisch motivierte Vorgehen gegen Memorial und die Kriminalisierung des zivilgesellschaftlichen Engagements“, sagte die Grünen-Vorsitzende. Ihre Partei versichere der Organisation und der demokratischen Zivilgesellschaft Russlands ihrer Solidarität.

Der grüne Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer schrieb im Kurzbotschaftendienst Twitter, das Vorgehen der russischen Behörden gegen Memorial zeige, dass Russlands Staatschef Wladimir Putin „im Innern den ‚chinesischen Weg‘ geht: Repression ohne Rücksicht“.

Die FDP-Bundestagsabgeordnete Renata Alt bezeichnete das Vorgehen der russischen Justiz als „besorgniserregend“. Die Auflösung von Memorial „wäre eine Katastrophe“, sei aber auch „ein logischer nächster Schritt in der Vernichtung der NGO-Landschaft in Russland“.

Memorial ist die größte und älteste Menschenrechtsorganisation Russlands, die noch während der Perestroika von Friedensnobelpreisträger Andrej Sacharow und anderen Dissidenten gegründet worden war. Sie setzt sich seit Jahren für die Aufarbeitung von Vergehen zu Zeiten der Sowjetunion sowie für die Wahrung der Menschen- und Bürgerrechte im heutigen Russland ein. Memorial sieht sich bereits seit längerer Zeit Repressionen ausgesetzt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.