Mensch Meier erhält Mieterhöhung: Club braucht die Crowd

Das Mensch Meier in Prenzlauer Berg hat eine Mieterhöhung bekommen, die es alleine nicht stemmen kann. Crowdfunding soll den Club retten.

Bedrohte Spezies: Berliner Clubkultur, hier das RAW-Gelände in Friedrichshain Foto: picture alliance/Paul Zinken/dpa

Wenn der Bass einsetzt, sind plötzlich alle gleich. Die Wände dunkel und mit bunten Graffitis bemalt, von der Decke flackert die spiralförmige Beleuchtung zum Techno-Beat. Auf drei Floors, einem großen und zwei kleineren, spielen DJs und Bands. Die Decken des ehemaligen Fabrikgebäudes sind hoch, die Böden unverputzt. Im Innenhof stehen selbstgezimmerte Bänke und Stühle um eine Feuertonne herum.

Auf dem „Meinfloor“ im Mensch Meier, dem linken Club an der Storkower Straße, tanzen alle gemeinsam. Menschen mit geistiger oder körperlicher Beeinträchtigung, Menschen ohne, Punks mit bunten Haaren und Tourist*innen in sauberen Sneakers. „Spaceship“ heißt die inklusive Partyreihe, die seit mehreren Jahren alle zwei bis drei Monate im Club stattfindet. Hier sollen Menschen mit und ohne Behinderung zusammen feiern – und das zu guter Musik.

Die „Spaceship“-Reihe ist eine von vielen Veranstaltungen, die regelmäßig im Mensch Meier stattfinden. Seit vier Jahren öffnet der Club seine Türen für Feierlustige. Auch politische Veranstaltungen, Lesungen oder Ausstellungen finden hier Platz. Der Anspruch dabei: einen Raum schaffen, der frei von Sexismus, Rassismus und Homophobie ist.

Derzeit ist jedoch nicht sicher, wie lange das so weitergeht. Bangte der Club bis vor Kurzem um einen neuen Mietvertrag, ist der seit diesem Frühjahr gesichert – allerdings mit einer Mieterhöhung um 33 Prozent. Genauere Zahlen wollen die Betreiber*innen nicht verraten. Für den Club, der nicht gewinnbringend ausgerichtet ist und nach eigenen Angaben etwa 100 Mitarbeiter*innen beschäftigt, eine mittlere Katastrophe. Aufgegeben hat das Mensch Meier aber noch nicht, es gibt einen Plan: eine Crowdfunding-Kampagne.

Seit 29. Mai können Unter­stützer*innen auf der Plattform „Startnext“ Beiträge spenden. 70.000 Euro möchte der Club im besten Fall einnehmen, 60.000 Euro sind das erste Spendenziel. Der Erlös soll insbesondere in eine neue Musikanlage fließen. „Diese Kampagne ist wie eine Herz-OP“, sagt Susu Meier, Pressesprecher*in des Clubs, „macht mensch nicht freiwillig, ist aber dringend notwendig und lebensrettend.“

Club braucht eigene Musikanlage

Wäre die Musikanlage finanziert, sei auch die Mieterhöhung zu stemmen. Musikanlagen für Clubs sind teuer – häufig sind sie genau auf den Raum zugeschnitten, um die beste Klangqualität zu erzielen. Bisher mietet der Club seine Anlage noch. Für 50.000 Euro wollen die Macher*innen nun eine eigene kaufen. Der Rest des Gelds soll in laufende Infrastrukturkosten und die Gebühren für die Kampagne fließen.

Crowdfunding-Kampagnen, die linke Projekte vor Gentrifizierung bewahren sollen, werden immer beliebter. Viele können die stark steigenden Mietpreise in der Stadt nicht mehr stemmen. Den Unter­stützer*innenkreis um Hilfe zu bitten scheint da eine naheliegende Option. Auch der Sonntags-Club in Prenzlauer Berg, eine queere Beratungsstelle, wandte sich per Crowdfunding an seine Unterstützer*innen. Er hatte eine Mieterhöhung von knapp 1.000 Euro bekommen. Durch die Kampagne konnte der Club Spenden in Höhe von mehr als 11.000 Euro einnehmen. Glück hatten die Betreiber*innen zusätzlich, weil der Senat 60 Prozent der Erhöhung übernahm.

Kann das Mensch Meier darauf hoffen, sein Funding-Ziel zu erreichen? Zumindest ist der Unterstützer*innenkreis des Clubs breit gefächert. „Mit der Kampagne fördert ihr eine wachsende Kraft in der alternativen Clubszene Berlins“, sagt Susu Meier. Das Kollektiv gestaltet Festivals wie die Fusion oder die at.tension in Lärz mit. Es kooperiert auch mit anderen Berliner Clubs und Partyver­an­stalter*innen.

Clash mit der Polizei

Ende März gab es während einer dieser Veranstaltungen einen Zusammenstoß mit der Polizei. Unangekündigt war eine Hundertschaft Polizist*innen zusammen mit dem Zoll vor dem Club erschienen, wo die Vorbereitung zu einer Party von „SeaWatch and Friends“ im Gange war. Die Beamt*innen wollten möglichen Schwarz­arbeitsverhältnissen nachgehen. Der Einsatz fand am Abend nach einer Demonstration gegen das „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ von Innenminister Horst Seehofer (CSU) statt.

Die Darstellungen darüber, wie der Einsatz ablief, unterscheiden sich stark. Laut Polizei soll ein Türsteher Polizist*innen mit Pfefferspray attackiert haben. Die Macher*innen des Clubs und das Veranstalter-Kollektiv erzählen hingegen von brutalem Vorgehen der Be­amt*innen gegen die Anwesenden und von gezogenen Waffen. Außerdem seien die Polizist*innen ­zunächst nicht als solche zu erkennen gewesen.

Polizeipräsidentin Barbara Slowik musste sich im Innenausschuss für den Einsatz rechtfertigen und versprach Aufklärung. Die Berliner Clubcommission bot an, zwischen den Parteien zu vermitteln. Das Mensch Meier selbst prüft rechtliche Schritte. Im Raum steht die Frage, ob linke Kollektive, die sich für ­kontroverse Themen wie Seenotrettung starkmachen, womöglich kriminalisiert werden sollen.

Nun geht es aber erst mal um Geld. Für das Mensch Meier ist die Zitterpartie noch nicht durchgestanden: Die Crowdfunding-Kampagne läuft bis zum 3. Juli. Innerhalb einer Woche sind bereits viele Spenden eingegangen. Auf der Startnext-Seite des Clubs lässt sich das nachvollziehen. Fast 360 Menschen haben insgesamt schon mehr als 14.600 Euro dagelassen. Gestaffelt sind die Beträge von fünf bis 10.000 Euro.

Für jede Spende gibt es ein kleines oder größeres Dankeschön: Handyhüllen, einen Boulder-Workshop, freien Eintritt in den Club – sogar Patenschaften für Feuerlöscher kann man übernehmen. Schon ausverkauft sind die hundert Mensch-Meier-T-Shirts für 50 Euro. Funktioniert so Solidarität im real existierenden Kapitalismus? Vielleicht, so die Sprecher*innen, sei Crowdfunding „nicht das Gelbe vom Ei – aber doch hoffentlich die Würze im Seitan“.

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