Meldepflicht in Niedersachsen: Jetzt wird der Krebs gezählt
Niedersachsen führt eine Meldepflicht für Krebsfälle ein. Die Dokumentation soll Krebshäufungen in Regionen feststellen und Ursachen analysieren.
Niedersachsen hat als eines der letzten Bundesländer eine Meldepflicht für Krebsfälle eingeführt. Ab sofort müssen Ärzte und Ärztinnen onkologische Diagnosen an das Epidemiologische Krebsregister Niedersachsen (EKN) melden. Jede Krebserkrankung soll erfasst werden.
Bislang beruhten die Meldungen auf den Daten von Pathologen, die schon nach der alten Regelung zur Meldung verpflichtet waren, und auf den freiwilligen Angaben Betroffener und ihrer Ärzte. „Das hatte zur Folge, dass wir im Schnitt nur in rund 50 Prozent der Fälle über vollzählige und vollständige Meldungen verfügten“, sagt eine Sprecherin des niedersächsischen Gesundheitsministeriums. Vollständige Meldungen seien aber nötig, um regional begrenzte Analysen wie etwa im Bereich des Atommülllagers Asse zu erleichtern.
Bereits im Dezember 2010 hatte Niedersachsens Gesundheitsministerin Aygül Özkan (CDU) eine Meldepflicht für Krebserkrankungen angekündigt (taz berichtete). Das EKN hatte die 2002 bis 2009 gemeldeten Krebsfälle im Landkreis Wolfenbüttel ausgewertet. Heraus kam, dass im Umfeld der Asse doppelt so viele Männer an Leukämie erkrankten und dreimal so viele Frauen an Schilddrüsenkrebs wie im Landesdurchschnitt. Das Bundesumweltministerium sah damals keinen Zusammenhang der Krebshäufung mit dem Atommülllager Asse.
Im Dezember 2012 hatte der niedersächsische Landtag einstimmig die neue Meldepflicht verabschiedet. Gemeldet werden nun etwa die Krebsart und wie die Erkrankung entdeckt wurde. Erfasst wird auch, wo der Patient wohnt und früher gewohnt hat, arbeitet und gearbeitet hat oder welche Risikofaktoren vorliegen.
Auch die Namen der Patienten werden gespeichert, wenn die Betroffenen widersprechen, werden ihre Daten anonymisiert. „Ziel der allgemeinen Meldepflicht ist es, bei Verdacht auf Krebshäufungen zeitnah und zielgerichtet die Situation zu analysieren“, sagt die Ministeriumssprecherin. Künftig sei es möglich, in einzelnen Gemeinden Krebshäufungen zu erkennen.
Uwe Dettmann von der Initiative Asse 2, die sich dafür einsetzt, die rund 126.000 Fässer mit schwach- und mittelaktivem Müll aus dem ehemaligen Salzbergwerk rauszuholen, sieht in der Meldepflicht einen Schritt in die richtige Richtung.
Die Regelungen der Nordländer:
In Bremen gilt die Meldepflicht, Patienten haben jedoch ein Widerspruchsrecht.
In Schleswig-Holstein gilt Meldepflicht. Der Patient kann aber entscheiden, ob seine Daten anonym gespeichert werden oder nicht.
In Mecklenburg-Vorpommern besteht für die epidemiologischen Daten Meldepflicht. Personenbezogene Daten werden nur erhoben, wenn der Patient nicht widerspricht.
In Hamburg gilt das Melderecht und nicht die Meldepflicht, das heißt, die Ärzte müssen bereit sein, mitzumachen und die Meldungen auszufüllen und auch die Patienten müssen einwilligen.
In Niedersachsen gab es bis Ende 2012 das Melderecht, seit dem 1. Januar aber gilt die Meldepflicht mit Widerspruchsrecht der Patienten.
„Die unvollständigen Meldungen nach dem bisherigen Krebsregister haben zu der Botschaft geführt, dass es um die Asse herum angeblich keine vermehrten Krebsfälle gäbe“, sagt Dettmann. „Man konnte sich immer auf die unvollständige Datenlage zurückziehen und musste den Zusammenhang zwischen dem Atommülllager und den Krebshäufungen nicht zwangsläufig herstellen.“ Das alte Register habe darum eine Pseudo-Sicherheit geschaffen und sei nicht in der Lage gewesen, wirklich Informationen zu liefern. Dettmann: „Jetzt kommt es darauf an, wie gut die Bundesländer untereinander vernetzt sind und wie die Daten ausgewertet werden.“
Ärzteverbände begrüßen die neue Meldepflicht. „Der Nutzen ist allerdings davon abhängig, wie viel der Gesetzgeber in die Auswertung investiert“, sagt eine Pressesprecherin der Ärztekammer Niedersachen. „Ob und inwieweit die Daten Rückschlüsse über Umwelteinflüsse und Krebserkrankungen möglich machen, hängt von der wissenschaftlichen Interpretation der Daten ab“, sagt auch der Pressesprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen.
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