Meinungs- und Kunstfreiheit in Spanien: Justiz disst Rapper
Ein Musiker wurde zu dreieinhalb Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt. Einem anderen drohen bis zu vier Jahren und neun Monaten Haft.
„Wenn ich ETA hochleben lasse, sperren sie mich ein, wenn du ein Hurensohn wie Urdangarin bist, nicht“, hatte Valtonyc in einem Song vorweggenommen. Iñaki Urdangarin ist der Schwager des spanischen Königs. Er wurde vor einem Jahr wegen Korruption und Unterschlagung öffentlicher Gelder zu sechs Jahren und drei Monaten Haft verurteilt, ist aber immer noch auf freiem Fuß.
Valtonyc ist kein Einzelfall. Mit Pablo Hasél steht ein weiterer bekannter Rapper vor Gericht. Auch ihm wird Verherrlichung des Terrorismus sowie „Verunglimpfung der Autoritäten“ vorgeworfen. Er bezeichnet auf Twitter die Polizei als „Mörder“ und „Söldner“, beschuldigt die paramilitärische Guardia Civil der Folter – wie das auch Menschenrechtsorganisationen und europäische Richter getan haben.
Er wirft ihnen auch vor, auf Immigranten zu schießen – was vor vier Jahren an der Grenze zu Marokko tatsächlich geschah. Außerdem bezeichnet Hasél die Monarchie als „eine mafiöse, mittelalterliche Institution“. Dem Rapper drohen bis zu vier Jahren und neun Monaten Haft.
Das Rap-Trio La Insurgencia wurde kürzlich zu zwei Jahren und einem Tag Haft verurteilt, als sie die längst aufgelöste bewaffnete marxistische Grapo als Antifaschisten bezeichneten. Das Berufungsverfahren steht noch aus.
Estebán Beltrán, Amnesty-Sprecher
Grundlage für all diese Verfahren sind das Antiterrorgesetz sowie das Gesetz zur Sicherheit der Bürger, das in Spanien „Knebelgesetz“ genannt wird. Beides sind Werk der konservativen Regierung unter Mariano Rajoy. In den letzten vier Jahren wurden damit auch 76 Menschen wegen ihrer Aktivitäten auf Twitter festgenommen, unter ihnen Musiker, Künstler, Journalisten und selbst Anwälte.
Allen wird „Verherrlichung des Terrorismus“ und „Demütigung der Opfer“ vorgeworfen. „Dabei geht es um die Verherrlichung eines Terrorismus, den es nicht mehr gibt“, beschwert sich auch der spanische Amnesty-International-Sprecher Estebán Beltrán. Als ETA 2011 die Waffen niederlegte, wurden fünf Beschuldigte wegen „Verherrlichung des Terrorismus“ verurteilt. 2017 waren es 23 und 2016 gar 38.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr