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Mehr als 300 Tote im GazastreifenZwei Drittel der Opfer sind Zivilisten

Der Bodenkrieg in Palästina fordert immer mehr Opfer – auch unter Zivilisten. Israel will die Offensive trotzdem ausweiten.

Wollen die militärische Infrastruktur der Hamas zerschlagen: israelische Bodentruppen im Gazastreifen. Bild: reuters

GAZA/TEL AVIV dpa | Israel will trotz steigender Opferzahlen seine Offensive im Gazastreifen ausweiten. Die Armee rief am Samstag rund 50.000 Bewohner der Flüchtlingslager Al-Bureidsch und Al-Maasi im auf, ihre Unterkünfte zu verlassen. Die Lager befinden sich im Zentrum des kleinen Palästinensergebietes am Mittelmeer. „Wir wollen die Operationen ausweiten und nach unseren Erfordernissen ausrichten“, sagte der israelische Generalstabschef Benny Gantz bei einem Besuch des Streitkräfte-Kommandos Süd in Beerscheva.

316 Menschen sind nach Angaben der palästinensischen Rettungsdienste seit Beginn der israelischen Luftangriffe am 8. Juli getötet sowie 2.283 weitere verletzt worden. Seit dem Vorrücken israelischer Bodentruppen in den Gazastreifen in der Nacht zum Freitag starben mindestens 70 Palästinenser. Zwei Drittel der Opfer seien Zivilisten, hieß es.

Auf israelischer Seite wurden in der Nacht zum Samstag ein Offizier schwer und zwei Soldaten leicht verwundet, wie die Armee mitteilte. Der einzige israelischer Soldat, der bisher getötet wurde, war zu Beginn der Offensive Opfer eines irrtümlichen Beschusses aus den eigenen Reihen geworden, wie eine Untersuchung durch das Militär ergab.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon wolle sich unterdessen für eine Waffenruhe zwischen Israelis und Palästinensern einsetzen, sagte der stellvertretende UN-Generalsekretär Jeffrey Feltman am Freitag bei einer kurzfristig einberufenen Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats in New York. Ban wollte am Samstag in den Nahen Osten reisen. Der EU-Ministerrat rief beide Seiten auf, umgehend einem Waffenstillstand zuzustimmen.

Israelisch-türkische Beziehungen angespannt

Mit dem ersten massiven Vorstoß in das Palästinensergebiet seit 2009 will Israel die militärische Infrastruktur der radikal-islamischen Hamas und verbündeter Gruppen zerschlagen. Dazu zählen zahlreiche Tunnel, mit denen die Hamas Israel auf unterirdischem Weg erreichen will, um dort Anschläge auszuführen oder Menschen zu entführen. Die israelische Bodenoffensive begann nach tagelangem Raketenbeschuss und einer vereitelten Kommandoaktion militanter Palästinenser, die offenbar einen Anschlag in Israel verüben wollten.

Die Türkei beantragte ein Dringlichkeitstreffen des UN-Menschenrechtsrats und der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC), wie Außenminister Ahmet Davutoglu ankündigte. „Wir verurteilen die von Israel nach den inhumanen Morden durch Luftangriffe begonnene Bodenoperation in Gaza auf das Schärfste.“

Ein Besuch von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in Ankara blieb am Freitag ohne greifbare Ergebnisse. Die Türkei, die gute Verbindungen zur Hamas hat, hatte sich als Vermittler angeboten. Zugleich ist aber das Verhältnis Ankaras zu Israel wegen der unterschiedlichen Positionen zur Gaza-Frage sehr angespannt.

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4 Kommentare

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  • Israel führt diesen Krieg, um fünf Millionen Israelis, die sich gegenwärtig täglich vor Raketen aus dem Gazastreifen ducken müssen, wieder ein normales Leben zu ermöglichen, und nicht etwa, weil es Spaß macht, Krieg zu führen. Dieser Krieg geht, man kann es nicht oft genug sagen, auf das Konto der Hamas. In Ägypten macht man sich da keine Illusionen, während die Hysterie in Europa wieder einmal groteske Züge annimmt. “Hamas, Hamas, Juden ins Gas!”, “Kindermörder Israel!”, “Allahu akbar!”, “Intifada bis zum Sieg” – an solchen Parolen erkennt man die vorgeblichen Friedensfreunde. Man ahnt, zu was sie fähig wären, wenn nicht Israel, sondern sie am längeren Hebel säßen.

     

    Eigentlich müsste jedem Beobachter klar sein, dass kein Bewohner Gazas hätte sterben müssen oder verwundet im Krankenhaus läge, wenn die Hamas sich nicht den ewigen Krieg gegen Israel auf die Fahnen geschrieben hätte. Und da Israel in einem dicht bevölkerten Gebiet agieren muss – die Palästinenser sprechen von 1,8 Millionen Menschen – beweisen 300 Tote bei 2250 Luftangriffen eindeutig, dass Israel sehr vorsichtig und eben nicht „mit aller Härte“ vorgeht. 300 Menschen erledigt, wie man vor zwei Tagen sehen konnte, ein Schütze im ukrainisch-russischen Grenzgebiet locker mit einer einzigen Rakete.

  • In jedem Krieg sterben bedauerlicherweise unschuldige Zivilisten. In jedem Krieg werden zivile Opfer in Kauf genommen. So geschehen im Krieg gegen Nazi-Deutschland. Wenn aber die israelische Armee gezwungen ist, gegen Hisbollah oder Hamas vorzugehen, weil diese Gruppierungen Raketen auf Israel abschießen und damit das Leben der Israelis gefähreden, dann wird jedes unbeteiligte Opfer penibel gezählt und gern auch vorgeführt, und darüber hinaus jeder an Kampfhandlungen Beteiligte zum unschuldigen Zivilisten umetikettiert. Erwarten die Menschheit von Israel, dass sich die Juden wie schon einmal auf die Schlachtbank führen lassen sollen? Erwaret die Menschheit, dass der Staat Israel nichts gegen die militärischen Angriffe aus Gaza unternimmt, damit ja kein unschuldiger Palästinenser stirbt? Wann gegen die Menschen in Europa auf die Straße, um gegen die Hamas zu protestieren, die menschlische Schutzschilder benutzen in ihrem Kampf gegen Israel.

  • Ich finde es ist eine Schande, dass nur die Türkei die richtigen Worte für das Vorgehen er israelischen Armee hat! In China und Russland klagt diese Kanzlerin die Einhaltung der Menschenrechte ein. Den Angriff der israelischen Armee gegen die Zivilbevölkerung Gazas hält sie eine für einen Akt des Rechts auf Selbstverteidigung. Dabei sind zwei Drittel der über 300 Toten Zivilisten! Das sind doch keine Kollateralschäden! Diese Toten sind der Beweis für die menschenverachtende Rücksichtslosigkeit der israelischen Führung!

    Dagegen steht ein toter israelischer Soldat, den die Israelis auch noch selbst umgebracht haben. Die Kämpfer der Hamas sind Terroristen und Selbstmordattentäter. Erst zu nehmende Soldaten im Häuserkampf sind sie offensichtlich nicht!