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Mehr Wissenschaft zur UkraineDezentral verankert

Ukraine-Studien sollen an hiesigen Universitäten gestärkt werden. Ein Kompetenzverbund eröffnete nun in Frankfurt (Oder).

Die Schriftstellerin Tamara Hundorova mahnt vor der Auslöschung ukrai­nischer Geschichte und Erinnerung

Am Donnerstag eröffnete in Frankfurt (Oder) der neue Kompetenzverbund Interdisziplinäre Ukraine-Studien (KIU). Die Kooperation zwischen der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) und den Berliner Institutionen Humboldt-Universität, Freie Universität, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften und Wissenschaftskolleg zu Berlin will künftig ukrainebezogene Forschung und Vernetzung stärken. Durch den Deutschen Akademischen Austauschdienst für vier Jahre gefördert, soll der KIU bis 2028 eine etablierte Institution werden, die blinde Flecken in der akademischen Wahrnehmung der Ukraine tilgt.

Bei der Eröffnungsveranstaltung kamen führende Wis­sen­schaft­le­r:in­nen in Ukraine- und Osteuropastudien zu Wort. Oksana Dubovenko, Botschaftsrätin der ukrainischen Botschaft in Deutschland, wies in ihren Begrüßungsworten darauf hin, dass das russische Narrativ seit Jahrzehnten versuche, ukrainische Kultur und intellektuelles Potenzial auszulöschen. Es brauche einen geschulten Blick, um russische Propaganda zu dekonstruieren. Auch für den Wiederaufbau einer Nachkriegsukraine, bei dem Deutschland eine zentrale Rolle spielen soll, brauche es Ex­per­t:in­nen. Es fehle derzeit allein schon an Über­setz­e­r:in­nen.

In ihrem Keynote-Vortrag zur Veranstaltung betonte die Kulturwissenschaftlerin und Schriftstellerin Tamara Hundorova die Bedeutung ukrainischer Archive und Bibliotheken. Aus diesen hätten russische Soldaten in den okkupierten Gebieten Dokumente entfernt. Hundorova empörte sich über „diese grausame Auslöschung ukrai­nischer Geschichte und Erinnerung“ und betonte die Notwendigkeit, Wissen dezentral zu verankern, unter anderem in Deutschland.

Bei der anschließenden Podiumsdiskussion plädierte der online zugeschaltete Bildungsminister der Ukraine, Mychailo Wynnyckyj, dafür, sein Land nicht nur als Empfänger von Unterstützung wahrzunehmen. Denn die Ukraine habe viel zu bieten, sie sei ein einzigartiges sozia­les Phänomen, geprägt von außergewöhnlicher Widerstandsfähigkeit, aus der Europa lernen könne. Grundsätzlich war man sich am Donnerstag einig, dass der KIU die ukrainische Resilienz stärken soll.

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2 Kommentare

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  • Das ist erfreulich. Aber auch sehr spät. Vielleicht nicht sovielen im Bewusstsein ist, dass spätestens mit dem russ. Angriffskrieg für einige Menschen nicht nur in der Wirtschaft od. Industrie quasi über Nacht auch die Karriereplanung den Bach runterging. Nicht wenige, die da in Slavistik/Russistik eingeschrieben waren, haben das an den Nagel gehängt, sich umorientiert oder zumindest mit dem Gedanken gespielt. Hat Perspektiven zunichte gemacht, sicher auch an Prestige gelitten, obwohl das bedauerlich ist und nicht nur wo's auf die ganze Slavistik abstrahlt. Man muss halt bedenken, dass die nicht alle im Uni- oder Kulturbereich arbeiten werden, oder könnten, sondern etwa auch in der Sprachlehre, als Übersetzer, oder für Medien, int. Organisationen, und natürlich auch die Wirtschaft. Wenn man sowas vor Augen hatte und grad in Deutschland lange und sehr berechtigt davon ausgehen konnte, dass Russland auch in fünfzehn, zwanzig Jahren ein ganz wichtiger Partner sein wird, dann wirft sowas alles über den Haufen. Für diese Leute kommt sicher zu spät, was ein naheliegender Rettungsversuch wäre, aber das wär's auch vor nem Jahr gewesen. Das ukrainische Wiedererwachen klopft lang genug an.

  • Es würde vielleicht schon reichen im Geschichtsunterricht darauf hinzuweisen, dass das eine Sowjetunion war, die angegriffen wurde und nicht Russland. Ich weiß, es gibt Leute, die nennen das UK England, aber das sind weniger als die, die zur Sowjetunion Russland sagen und normalerweise stehst du als Idiot da, wenn dir der Fehler passiert