: Mehr Vorsicht!
Es ist so mutig wie riskant vom Kanzler, die Reichweitenbeschränkungen von Waffen an die Ukraine aufheben zu wollen. Sollte es tatsächlich dazu kommen, wird es allerdings nicht Merz sein, der die Folgen seines Mutes schon in den nächsten Tagen am eigenen Leib zu spüren bekommt.
Die russische Antwort auf weitreichende Angriffe mit „unseren“ Waffen tief nach Russland hinein wird kaum sein: „Okay, wir haben es eingesehen, wir hören auf zu bombardieren.“ Im Gegenteil: Russland wird seine Angriffe verstärken – qualitativ und quantitativ. Und die Menschen, die in der Ukraine leben, werden das in den kommenden Nächten erleben.
Es gäbe da eine bessere Idee: Merz war selbst kürzlich in Kyjiw. Just in dieser Zeit blieb es ruhig in der ukrainischen Hauptstadt. Es ist klar, warum: Die Russen trauen sich nicht, Kyjiw zu beschießen, wenn wichtige Politiker hier sind. Deswegen wäre es doch wünschenswert, wenn Merz öfter in die Ukraine reiste, er könnte sogar mal ein paar Tage länger bleiben. Die Bevölkerung wird es ihm danken. Das ist jedenfalls besser, als den Taurus oder welche weitreichenden Waffen auch immer zu schicken. Aber möglicherweise möchte Merz gar nicht so oft nach Kyjiw kommen. Nun, es gäbe da noch eine Alternative, sogar eine in Deutschland: Merz könnte nach Lingen in Niedersachsen fahren. Dort wollen der französische Framatome und der russische Atomkonzern Rosatom gemeinsam Atombrennstäbe bauen. Zur Erinnerung: Rosatom baut nicht nur AKWs, sondern entwickelt auch Atomwaffen. Und die sind gegen die Ukraine gerichtet.
Die Gegner dieser russisch-französisch-deutschen Zusammenarbeit in Lingen würden sich freuen, wenn sie den Bundeskanzler auf ihrer Seite wüssten. Raketen schicken, ja, das kann der Kanzler. Aber Sanktionen ernsthaft durchziehen, das kann oder das will er nicht. Dabei gibt es noch viele Sanktionen, darunter Banksanktionen und Sanktionen gegen einzelne Personen, die man gegen Russland verhängen könnte.
Deutsche Drohnen und Raketen, die auf russischem Territorium landen – dabei kann jedenfalls nichts Gutes herauskommen.
Bernhard Clasen, taz-Ukraine-Korrespondent
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