Mehr Schutz fürs Meer: Presslufthammer unter Wasser
Nabu-Expedition auf Nord- und Ostsee weist zu viel Schmutz in Wasser und Luft nach. Mindestens die Hälfte der Schutzgebiete sollten von Nutzung frei sein
Elf Tage lang war der Zweimaster „Ryvar“ unterwegs auf dem Törn „Nabu macht Meer“, mit dem der Naturschutzbund auf die bedrohte Artenvielfalt in den beiden Meeren vor Norddeutschlands Küsten aufmerksam machen will. Der Start war in Warnemünde, über Fehmarn, Kiel, Husum und Cuxhaven führte der Segeltrip nach Hamburg.
Mit an Bord waren wissenschaftliche Teams der Universitäten Oldenburg und Magdeburg-Stendal. Sie untersuchten menschengemachten Unterwasserlärm etwa von Offshore-Windparks, Schiffen oder Häfen, erhoben Daten über die Verschmutzung von Wasser und Luft und erprobten neue Methoden zum Sammeln von Mikroplastik.
Das seien „kleine Giftbomben“, sagte Nabu-Expeditionsleiter Kim Detloff. „An der Oberfläche von Mikroplastik lagern sich gern Umweltgifte ab, die wir heute längst verboten haben“, zum Beispiel das Insektizid DDT oder organische Chlorverbindungen (PCB).
Jenseits der Schmerzgrenze
Im Wattenmeer nahe der Insel Scharhörn vor der Elbmündung wurde ständiger Hintergrundlärm von 137 Dezibel gemessen. In 500 bis 1.000 Meter Entfernung von einem Schiff stieg der Wert unter Wasser sogar auf 145 Dezibel – das entspricht dem Lärm von Presslufthämmern oder Düsenjägern und liegt weit über der menschlichen Schmerzgrenze. Luftmessungen erwiesen in Meeresgebieten abseits der Schifffahrtsrouten 800 bis 1.200 Rußpartikel pro Kubikzentimeter, unmittelbar hinter Schiffen teilweise mehr als 200.000, sagte Detloff. Ein einziges Kreuzfahrtschiff stoße ungefähr so viel Stickoxid aus wie fünf Millionen Autos.
In Hamburg stammen etwa 40 Prozent der Luftbelastungen aus dem Hafen, so Nabu-Meeresexperte Malte Siegert. „Die Schiffe müssen sauberer werden“, fordert er. Die Technik – Rußpartikelfilter, sauberer Gasantrieb oder Landstrom im Hafen – sei vorhanden. Es fehlten jedoch staatliche Vorgaben, um deren Nutzung verbindlich zu machen.
Das räumte auch Michael Pollmann, grüner Staatsrat der Hamburger Umweltbehörde, ein. „Wir müssen handeln“, sagte Pollmann. Dazu aber müssten „Interessenkonflikte zwischen Ökonomie und Ökologie gelöst“ werden. Und das sei bekanntlich ein arg zähes Unterfangen.
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