Mehr Rechte für Verbraucher:innen: Druckmittel für schnelles Netz
Am 1. Dezember tritt das neue Telekommunikationsgesetz in Kraft. Ist der Internetanschluss zu langsam, können Nutzer:innen sich fortan besser wehren.
1. Was ist neu ab 1. Dezember?
Verbraucher:innen, deren Festnetz-Internetzugang langsamer ist, als im Vertrag vereinbart, bekommen mehr Rechte. Sie können mindern, also ihren Tarif nur teilweise bezahlen oder den Vertrag außerordentlich kündigen. Bei Komplettausfall sind sogar Entschädigungen möglich. Die neuen Regeln sind Teil einer Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG), die am 1. Dezember in Kraft tritt.
2. Warum wurde die Neuerung eingeführt?
Die neuen Verbraucher:innenrechte sollen dazu führen, dass mehr Menschen hierzulande schnelleres Internet haben. Bislang schneidet Deutschland bei internationalen Bandbreiten-Rankings schlecht ab. So sieht das Analyseunternehmen Ookla die Bundesrepublik bei Festnetz-Breitbandanschlüssen derzeit auf Platz 42 von 181 Ländern. Internetanbieter haben sich bislang mit „Bis zu“-Formulierungen in ihren Verträgen Schlupflöcher für den Fall geschaffen, dass die reale Verbindungsgeschwindigkeit unter der versprochenen lag. Die Politik verspricht sich, dass die neuen Regeln die Netzanbieter dazu bewegen, mehr in den Ausbau der Glasfaser-Infrastruktur zu investieren.
3. Tut es nicht auch mobiles Internet? Es kommt doch schon 5G.
Auf den ersten Blick schon: Mobiles Internet lässt sich deutlich schneller einrichten als ein Festnetz-Breitbandanschluss. Geringere Kosten, kein Tiefbau nötig. Das Problem: Alle Nutzer:innen innerhalb einer Funkzelle teilen sich die Bandbreite. Je mehr Menschen in einer Funkzelle also gleichzeitig Videokonferenzen abhalten, Filme streamen, große Dateien hochladen oder am Uniseminar teilnehmen wollen, desto mehr Ruckler, Aussetzer und abgebrochene Verbindungen.
4. Was können Verbraucher:innen, deren Internet langsamer ist als versprochen, konkret tun?
Zunächst müssen sie die Internetgeschwindigkeit, die der Anbieter liefert, messen. Die Bundesnetzagentur bietet unter breitbandmessung.de eine entsprechende Software an, die das Ergebnis auch dokumentiert – herunterladbar ist sie allerdings erst ab Mitte Dezember. Stellt sich bei der Messung heraus, dass der Anschluss tatsächlich zu langsam ist, können Kund:innen den Vertrag entweder außerordentlich kündigen – oder entsprechend weniger zahlen.
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In beiden Fällen sollten sie dem Anbieter zunächst eine Frist setzen, um ihm die Gelegenheit zu geben, die zugesagte Leistung zu erbringen. Felix Flosbach, Referent für Telekommunikationsrecht bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, rät dazu, immer schriftlich mit dem Anbieter zu kommunizieren und nicht per Hotline. So hätten Verbraucher:innen im Streitfall bessere Karten.
5. Wie lahm muss die Leitung sein, damit man mindern kann?
Das Gesetz sagt, wenn „erhebliche, kontinuierliche oder regelmäßig wiederkehrende Abweichungen auftreten“. Was das ist, bestimmt die Bundesnetzagentur: Sie hat definiert: Wenn bei einem Festnetz-Breitbandanschluss an zwei Messtagen jeweils mindestens einmal 90 Prozent der im Vertrag zugesagten Maximalgeschwindigkeit nicht erreicht werden; wenn die normalerweise verfügbare Geschwindigkeit nicht in 90 Prozent der Messungen erreicht wird; oder wenn die vertraglich vereinbarte Mindestgeschwindigkeit an zwei Messtagen unterschritten wird. Nutzer:innen müssen dabei an zwei unterschiedlichen Tagen jeweils zehnmal messen.
6. Wie viel Geld gibt es zurück?
Der Rechtsanwalt Christian Solmecke erklärt: „Das Minderungsrecht besteht prozentual in der Höhe, in der die Leistung des Anbieters hinter der vertraglich zugesicherten zurückbleibt.“ Er rechnet vor: Kund:innen müssten 30 Prozent weniger zahlen, wenn die tatsächliche Internetgeschwindigkeit nur 70 Prozent dessen erreicht, was vertraglich vereinbart wurde. Solmecke weist außerdem darauf hin, dass Nutzer:innen gegebenenfalls auch Schadenersatz geltend machen können. Nämlich dann, wenn ihnen aufgrund der zu niedrigen Internetgeschwindigkeit Zusatzkosten entstanden sind, zum Beispiel für mobiles Internet, und dem Anbieter ein Verschulden zur Last gelegt werden kann.
7. Werden die Unternehmen mehr in den Breitbandausbau investieren, wenn Kund:innen von ihrem neuen Recht Gebrauch machen?
Das hat sich jedenfalls die schwarz-rote Bundesregierung so vorgestellt, als sie das Gesetz auf den Weg brachte. Hansjörg Durz von der Union nannte das Gesetz bei der Verabschiedung im Parlament ein Rezept für den „Zaubertrank für den Ausbau der digitalen Infrastruktur“. Andere sind da vorsichtiger: „Wir hoffen natürlich, dass die Anbieter das zum Anreiz nehmen, in die Netze zu investieren“, sagt Verbraucherschützer Flosbach. Er vermutet, dass sich in einem halben bis einem Jahr abzeichnen wird, in welche Richtung die Entwicklung geht.
8. Bringt das Gesetz noch weitere Neuerungen für Verbraucher:innen?
Ja, unter anderem die folgenden: Wenn die Grundlaufzeit eines Mobilfunk- oder Internetvertrages – die weiterhin 24 Monate dauern darf – abgelaufen ist, ist der Vertrag danach monatlich kündbar. Bisher war eine automatische Verlängerung um 12 Monate üblich. Darüber hinaus gibt es eine Neuerung für Mieter:innen: Wird ein Haus erstmalig ans Glasfasernetz angeschlossen, können die Vermieter:innen diese Kosten auf die Mieter:innen umlegen, wenn so eine Umlage im Mietvertrag vereinbart ist. Die Umlage ist auf 60 Euro jährlich pro Wohnung und maximal neun Jahre begrenzt.
9. Wie steht es nun um ein Recht „auf schnelles Internet“?
Ja, unabhängig vom Geld-zurück-Recht sieht die Novelle des Telekommunikationsgesetzes auch das vor. Der Haken: Wie viel Megabit pro Sekunde darunter fallen, definiert sie nicht. Das soll erst im kommenden Jahr eine Verordnung nachholen. Verbraucherschützer Flosbach wünscht sich hier eine klare Mindestbandbreite – die sich aber stufenweise erhöhen soll. Damit nicht in ein paar Jahren das Recht auf schnelles Internet nur noch ein Recht auf lahmes Internet ist.
10. Kann die Ampel schnelles Internet?
„Unser Ziel ist die flächendeckende Versorgung mit Glasfaser (…)„ heißt es im Koalitionsvertrag gleich an zwei Stellen. Festgehalten sind sogar konkrete Maßnahmen wie Open Access, bei dem mehrere Internetanbieter kooperieren. Menschen in unterversorgten Regionen werden die Versprechen vermutlich erst glauben, wenn der Bagger vor der Tür steht.
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