piwik no script img

Mehr Befugnisse für Hamburgs PolizeiSPD verteidigt Gefahrengebiet

Die Hamburger SPD unterstützt die Einrichtung der „Gefahrenzone“. 200 Menschen wurden bis Sonntagfrüh überprüft, 70 Aufenthaltsverbote ausgesprochen.

Ist jetzt offiziell ein Gefahrengebiet: Die Hamburger Reeperbahn Bild: dpa

HAMBURG dpa | Die in Hamburg alleinregierende SPD hat die Einrichtung des sogenannten Gefahrengebiets in Teilen von Altona, St. Pauli und der Sternschanze verteidigt. „Wir unterstützen ausdrücklich, dass die Polizei den rechtlichen Rahmen konsequent ausschöpft, um neuen Übergriffen präventiv entgegenzuwirken“, sagte ihr innenpolitischer Fraktionssprecher Arno Münster. Dafür könnten die Einrichtung eines „Gefahrengebiets“ und entsprechende lageabhängige Kontrollen hilfreich sein.

Die Polizei hatte das „Gefahrengebiet“ in Teilen Hamburgs am Samstagmorgen eingerichtet und bis Sonntagmorgen 200 Menschen überprüft. Die Polizeikontrollen sind bis Mitternacht friedlich verlaufen. Es seien bis 7.00 Uhr etwa 70 Aufenthaltsverbote ausgesprochen worden. Die Beamten hätten Schlagwerkzeuge, Pyrotechnik, Masken und Tücher sichergestellt, hieß es. Die Kontrollierten hätten keine Gegenwehr geleistet. Die Polizisten konzentrierten sich auf verdächtige und polizeibekannte Menschen, sagte ein Sprecher.

Die Hamburger Polizei hat das sogenannte Gefahrengebiet seit Samstag in Teilen von Altona, St. Pauli und der Sternschanze eingerichtet. Anderthalb Hundertschaften – sechs Polizeizüge – waren am Nachmittag um 14.00 Uhr losgegangen, um in diesen Stadtteilen „relevante Personengruppen“ zu kontrollieren, sagte eine Polizeisprecherin. Wie lange die Stadtteile Gefahrengebiet bleiben, sei von der weiteren Entwicklung abhängig, hieß es von der Polizei. Die Kontrollen sollten zunächst bis Sonntagmorgen dauern.

Anlass für die verstärkte Überprüfung sind die wiederholten Angriffe auf Beamte und polizeiliche Einrichtungen in jüngster Zeit. Erst am vergangenen Wochenende waren bei einem Anschlag auf die Davidwache an der Reeperbahn drei Beamte schwer verletzt worden.

Grüne kritisieren Vorgehen

Die Grünen-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft kritisierte die Einrichtung des Gefahrengebiets. Damit stelle man Tausende Menschen unter Generalverdacht, sagte die innenpolitische Fraktionssprecherin Antje Möller. „Das schränkt die Bewegungsfreiheit der Menschen massiv ein, gerade auch weil die Eingrenzung auf „relevante Personengruppen“ sehr viel Spielraum lässt.“ Hinzu komme die willkürliche Größe des Gebiets, deren Verhältnismäßigkeit dringend überprüft werden müsse.

Auch der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Carl-Edgar Jarchow, erklärte, man werde prüfen müssen, inwieweit die Maßnahme und der Umfang verhältnismäßig seien. Er verwies darauf, dass das Gesetz klar regle, dass das Gefahrengebiet nur so lange ausgewiesen werden dürfe, wie es die Lage erfordere. „Nach Äußerungen der Polizei erfordert es die Lage derzeit nicht, es besteht folglich kein Grund, das Gefahrengebiet aufrechtzuerhalten“, sagte Jarchow.

Sondersitzung des Innenausschusses

Am kommenden Montag kommt der Innenausschusses der Bürgerschaft auf Antrag der Grünen zu einer Sondersitzung zusammen. Dann geht es um eine Aufarbeitung der Krawalle vom 21. Dezember, als während und nach einer Demonstration für den Erhalt des linken Kulturzentrums „Rote Flora“ im Schanzenviertel 120 Polizisten und rund 500 Demonstranten verletzt wurden. Sie erwarte dabei von der Polizei auch Erläuterungen zur Verhältnismäßigkeit des eingerichteten Gefahrengebietes, erklärte Möller, die dazu auch NDR Info ein Interview gab.

Ein Polizeisprecher hatte angekündigt, dass die Kontrollen im Gefahrengebiet mit Augenmaß durchgeführt würden. Es sei nicht beabsichtigt, Anwohner oder Besucher übermäßig zu belasten. „Gleichwohl wollen wir durch diese Maßnahme sehr deutlich machen, dass die Polizei Hamburg alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen wird, um Leib und Leben ihrer Beamten zu schützen.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

23 Kommentare

 / 
  • R
    Ruhender

    Wie schnell doch aus Sozialdemokraten Halbfaschisten werden, wenn sie das Sagen haben.

  • Einige Videos von der Demo am 21.12. zeigen nun, dass die Gewalt immer wieder von den "Demonstranten" bzw. dem schwarz gekleideten RAF-Sympathisantenblock ausging:

     

    http://www.youtube.com/watch?v=PDvrmcBgUsI (Steinewerfer auf Bahngleisen)

     

    http://www.youtube.com/watch?v=FuHJmGTts-g (Brandsatzwerfer ab 2:23 und Steinewerfer ab 2:30)

     

    http://www.youtube.com/watch?v=KC5S76e2Uvc (Steinwürfe)

     

    Dass der Nicht-Schwarze-Block friedlich demonstrieren kann und es so natürlich auch keinen Ärger mit der Polizei gibt, zeigt folgendes Video:

     

    http://www.youtube.com/watch?v=khEgskMqW-A

     

    Ein befristetes Gefahrengebiet ist sinnvoll, reicht aber nicht. Es müssen endlich Gesetzesänderungen her:

     

    1. Steinwürfe bei Menschen = versuchter Mord

    2. Wer sich in Sichtweite von Steinewerfern u.ä. befindet, ist verpflichtet, sich sofort zu entfernen, ansonsten kann er sich wegen Beihilfe und Vereiteilung einer Festnahme selbst strafbar machen.

     

    Mit diesen beiden Punkten könnte man endlich mehr Gewalttäter hinter Gitter bringen und gleichzeitig mehr zwischen den friedlichen, den gewaltbereiten und den gewaltbefürwortenden Teilnehmern einer Demonstrationen differenzieren.

    • H
      Hans
      @AndreaN:

      Ich gebe Ihnen Recht, dass Gewalt bei Demonstrationen (und auch außerhalb) nichts mit demokratischer Wahrnehmung von Rechten zu tun hat, egal von welcher Seite diese ausgeht. Auch die fehlerhafte Ausübung des staatl. Gewaltmonopols durch die Polizei ist zu ahnden.

       

      Nun leben wir nicht in einer Zuckerwatte-Welt.

       

      Ihr Vorstellung zur Änderung an Gesetzestexten ist realitätsfern und entbehrt jeglichem rechtlichen Verständnis. Sind Sie zufällig Politiker?

    • R
      Ruhender
      @AndreaN:

      Deine Videos zeigen aber nicht, wer angefangen hat.

  • M
    Mike

    Die SPD macht mit dieser harten Linie keine echten Punkte - sie kann dabei nur verieren.

     

    Und wer nach Michael Neumann sucht, der sucht vergeblich - der Senator überlässt der Polizei wesentliche, politische Räume und muss dann auch noch mit aussichtsreichen Klagen gegen die Einrichtung dieser Sicherheitszone rechnen. Mich wundert, dass Scholz diesen Mist so passieren lässt.

     

    Ich denke mal, dass die Solidarität mit angegriffenen Polizisten kein Freifahrtsschein für Sicherheitszonen darstellt, die normalerweise an konkrete Ereignisse gebunden ist, als an einmalige Demonstrationen oder Nazi-Aktivitäten etc.

     

    Was hier passiert, ist idiotisch und bringt gar nichts. Tatsächlich müsste die Polizei einfach in der Lage sein, die Randalierer zu schnappen, sie zu überführen und der Szene zu zeigen, dass die Polizei in Hamburg Herr der Lage ist.

     

    Wer sich die Einrichtung einer solch großen Sicherheitszoen ansieht, der erkennt schnell, dass es reine Show, Verzweifelung und Symbolhandlungen sind - damit wird gar nichts erreicht. Auf Dauer kommt das nächtliche Bereitstellen von Polizisten für so eine Sicherheitszone auch extrateuer - das kann sich gar nicht lohnen.

     

    Mal sehen, wie lange Scholz sich diesen Innensenator und diesen Polizeipräsident noch leistet. Irgendwann muss man Bilanz ziehen und da können nur echte Ermittlungserfolge zufriedenstellen.

  • T
    Taufrisch

    Gab es keinen zweiten Angriff auf die Davidwache?

     

    In Hamburg hat die Polizei eine Gefahrenzone eingerichtet, die sich über mehrere Stadtteile erstreckt. Begründet wird dies mit zwei Angriffen auf die Davidwache. Ein Rechtsanwalt behauptet nun, die zweite Attacke habe gar nicht stattgefunden.

     

    In fast allen Medien war schlicht von Autonomen die Rede, die die Davidwache auf der Reeperbahn attackiert haben sollen. Dabei gab es in den polizeilichen Darstellungen bereits offenkundige Widersprüche. Der Rechtsanwalt Andreas Beuth behauptet nun, es habe den zweiten Angriff nicht so gegeben, wie von der Polizei dargestellt:

     

    Anlässlich der Darstellung und Diskussion in der Öffentlichkeit und in den Medien zu einem Zwischenfall am Samstag, 28.12.2013, gegen 23:03 Uhr im Bereich der Reeperbahn in Hamburg – St. Pauli zwischen bisher unbekannten Personen und PolizeibeamtInnen sehe ich mich zu einer öffentlichen Stellungnahme veranlasst.

     

    http://www.publikative.org/2014/01/0...ie-davidwache/

  • BD
    baut doch mauern sozialdemokraten

    Baut doch Mauern zwischen den armen und reichen Stadtteilen, das hat in Berlin auch eine zeitlang funktioniert. Und dann nur einseitig Tourismus gewähren!

  • D
    DDHECHT

    Wer hat uns schon immer verraten? Die Sozialdemokraten! (Die sind heute vieles, aber mit der urprünglichen Sozialdemokratie haben die nichts mehr zu tun.)

  • PL
    Polizei lügt!

    Zur Diskussion um den angeblichen zweiten Angriff auf die Davidswache: Dem Anwalt Andreas Beuth sind im Rahmen seiner Tätigkeit Informationen zugekommen, die ihn zum Schluss kommen lassen, die "[...]Behauptungen in der Polizeipressemitteilung vom 29.12.2013 sind schlichte Falschbehauptungen".

    https://linksunten.indymedia.org/de/node/102834

    • K
      Kimme
      @Polizei lügt!:

      Sie stellen ein Medium der linksextremen Szene als glaubwürdiger dar, als die gesamte Presselandschaft?

      Zudem widerlegt der Text in keinster Weise einen möglichen Angriff auf die David-Wache.

      Zudem lassen die Kommentare unter dem Text eher darauf schließen, dass ein solcher Angriff tatsächlich stattgefunden hat.

  • F
    FranzK

    Helmut Schmidt hätte schon lange die Bundeswehr eingesetzt, wo bleibt ihr Mut, Herr Scholz ? Sind wir nicht alle irgendwie Verbrecher ? (Ironie, für alle die es sonst falsch verstehen und jawoll schreihen)

  • Tja jetzt müssen die sich unbürgerlich verhaltenden Bürger schnell zu Peek & Cloppenburg sich urbane Camouflage kaufen, wollen Sie ihr Idiotentum weiter ausführen.

  • G
    Gast

    Ach - die Grünen bemängeln, dass "Tausende von Menschen unter Generalverdacht gestellt" werden? Und was ist mit den Regelabfragen der Steuerbehörde beim Finanzamt? Den Geschwindigkeitskontrollen beim Autofahren?

    Nicht falsch verstehen - ich finde beides richtig. Aber die Doppelmoral der Grünen geht mir sowas von auf die Nerven!

  • P
    paulianer

    und wieso bekomm ich als anwohner grundlos ein "aufenthaltsverbot" was selbsverständlich hausarrest bedeutet ? "sie können sich ja noch ausserhalb des gefahrengebiets bewegen"

    was soll ich da ? ich wohn hier aufm kiez... hier sind meine läden, meine freunde, mein leben..und da fuschen mir irgendwelche idioten in uniform drin rum ?

     

    "treffen wir sie hier nochmal an landen sie in der zelle"

     

    aha...

  • Gerade in HH gibt es doch ein gewisses traditionelles Liedgut, aus der Hausbesetzerzeit, vom BVerfG abgesegnet, dass sich mit Deutschland und den Herrschenden auseinandersetzt. Das könnte man doch mal öffentlich anstimmen, so mit 500 Mann, ganz unbedrohlich, als Seemannschor. Immerhin ist die Musikgruppe auch auf dem offiziellen Hafengeburtstag und anderen offiziellen Anlässen von der Stadt selbst eingeladen worden. Und das noch unter der CDU...

  • N
    NoPasaran

    200 Menschen überprüft, 70 Aufenthaltsverbote, Schlagwerkzeuge und Masken. Also ein ganz normales Wochenende auf dem Kiez, wenn das Umland (Flensburg-München, ca. 120.000 Menschen)einfliegt. Beeindruckend!

  • H
    Hpyrion

    Mir fällt zum Thema verdachtsunabhängiger Kontrollen Aller in ausgewiesenen Zonen nach den "rechtlichen" Kriterien des Augenmaßes nur dieses Zitat von neusprech.org ein

     

    "SI-Einheit der Politik, suggeriert Genauigkeit. Wenn Politiker vorgeben, mit Augenmaß zu entscheiden, klingt es positiv, so als seien sie besonders gründlich und vorsichtig. Das Gegenteil ist der Fall. Nur mit den Augen zu messen, ist fahrlässig. Das Auge kann leicht getrogen werden, noch dazu bei großen Mengen oder komplexer Technik. Damit entlarvt sich das A. als Malapropismus, als unangemessenes Wort – so wie der Quantensprung, der gern für einen großen Sprung verwendet wird, obwohl es doch ein ganz kleiner ist. Als Grundlage für Politik taugt das A. genauso gut wie die Einheiten „aus dem Bauch heraus“ oder „Pi mal Daumen mal Fensterkreuz“. Die vorgetäuschte Genauigkeit aber ist nicht das einzige Problem. Denn jemand, der seine Entscheidungen mit dem Augenmaß begründet, sagt vor allem, dass er „nach eigenem Ermessen“ handelt, nach Kriterien also, die er lieber nicht öffentlich zu diskutieren wünscht, die im Zweifel niemanden etwas angehen, schon gar nicht die Wähler.

     

    Vielen Dank an Simon K. und andere für den Vorschlag."

  • G
    Gast

    "Die Grünen-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft kritisierte die Einrichtung des Gefahrengebiets. Damit stelle man Tausende Menschen unter Generalverdacht, sagte die innenpolitische Fraktionssprecherin Antje Möller. „Das schränkt die Bewegungsfreiheit der Menschen massiv ein,..."

     

    Warum schränkt das meine Bewegungsfreiheit ein? Jetzt (!) kann ich wieder gefahrlos raus auf die Straße!

    • N
      Nick
      @Gast:

      Bist du Bulle oder warum biste sonst in Gefahr? Ich hab nicht ein einziges Mal davon gehört das die Autonomen Anwohner angegriffen haben, warum auch?

    • H
      Hans
      @Gast:

      Was hat Sie denn vorher bedroht?

      Und was passiert, wenn Sie durchsucht werden und eine Glasflache als bedrohlicher Gegenstand festgestellt wird, weil Sie "verdächtig" aussehen und obwohl Sie da wohnen ein Aufenthaltsverbot kriegen?

  • G
    Gast

    ich verstehe nicht wieso Antje Möller meint für die Anwohner sprechen zu können. Wir und unsere Nachbarn fühlen uns nicht unter Generalverdacht gestellt. Viele solidarisieren sich mit der Davidwache. Ohne die Wache gäbe es keinen Schutz vor Polit- und Fußball Randalierern, anderen Gewalttätern und Betrunkenen, die keine Grenze kennen. Vor allem auch Frauen wünschen sich generell mehr Polizei auf den Straßen.

  • HB
    Harald B.

    Inkonsequenz der Politik:

    Schließt endlich die Rote Flora und gebt das Gebäude dem Eigentümer zurück.

    Der Versuch "Rote Flora" ist gescheitert.

  • E
    Erwin

    Hatten wir das nicht schon einmal?