Meduza-Auswahl 6. – 12. Februar: Wer forscht, soll die Sicherheitsdienste informieren
Ein neuer Gesetzentwurf wird in Russland gebilligt: Er schreibt Wissenschaftlern vor, dass über jede Zusammenarbeit mit Ausländern der Staat informiert werden muss.
![Ein Mann mit auffallendem Schnurbart hält sich eine kreisrunde technische Apparatur vor ein Auge Ein Mann mit auffallendem Schnurbart hält sich eine kreisrunde technische Apparatur vor ein Auge](https://taz.de/picture/7526186/14/37661141-1.jpeg)
Das russisch- und englischsprachige Portal Meduza zählt zu den wichtigsten unabhängigen russischen Medien. Im Januar 2023 wurde Meduza in Russland komplett verboten. Doch Meduza erhebt weiterhin seine Stimme gegen den Krieg – aus dem Exil. Die taz präsentiert seit 1. März 2023 unter taz.de/meduza immer mittwochs in einer wöchentlichen Auswahl, worüber Meduza aktuell berichtet. Das Projekt wird von der taz Panter Stiftung gefördert.
In der Zeit vom 6. bis 12. Februar 2025 berichtete Meduza unter anderem über folgende Themen:
Warum muss Walentina Fedorowa ins Gefängnis?
Im Jahr 2023 machte Walentina Fedorowa, Mitarbeiterin in einem Internat für Gehörlose, russische Medien auf die angebliche körperliche Misshandlung von Schülern in der Einrichtung aufmerksam. Ein Video der Misshandlung schickte sie damals an lokale Medien. Nun wurde sie zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Außerdem darf sie in naher Zukunft nicht mehr mit Kindern arbeiten und muss 600.000 Rubel (6.200 US-Dollar) Schadensersatz an die Familien der Kinder, die sie geschlagen haben soll, entrichten.
Die Staatsanwaltschaft wirft Fedorowa vor, selbst Schüler misshandelt zu haben – obwohl sie erklärte, dass sie an einigen der Tagen, an denen es Vorfälle gegeben haben soll, nicht gearbeitet habe. Meduza fasst auf Englisch zusammen, was über den Fall bekannt ist.
Laut Fedorowa übte die Schulverwaltung nach Bekanntwerden des Skandals Druck auf die Schüler und ihre Eltern aus. Im Dezember 2023 erhielten lokale Medien Briefe, angeblich von einem der Schüler in dem Video, in denen er darum bat, die Vorwürfe zurückzuziehen.
Vom Anwalt zum „ausländischen Agenten“
Michail Benjasch arbeitete jahrelang als Anwalt in der Region Krasnodar, wo er seine Mandanten gegen die Verfolgung durch die Behörden verteidigte. Dieses Engagement führte zu polizeilichem Druck – und schließlich dazu, dass Russlands Justizministerium Benjasch im Herbst 2022 als „ausländischen Agenten“ bezeichnete. Ein Jahr später wurde ihm die Anwaltszulassung entzogen. Heute lebt Benjasch in Litauen, wo er kürzlich eine Arbeit als Klempner gefunden hat. Meduza sprach mit Benjasch über sein neues und altes Leben (englischer Text).
„Die Menschenrechtsarbeit ist mich teuer zu stehen gekommen. Ich habe viel mehr verloren als viele andere … Meine Karriere wurde zerstört. Als ich in Vilnius ankam, hatte ich alle meine Habseligkeiten in einem Rucksack“, sagt Benjasch. Und erklärt, warum er den Glauben in Russlands Opposition verloren hat – und was ihm seine „ehrliche Arbeit“ heute gibt.
Ein Anarchist gegen den Militärkomplex
Im Dezember 2023 gab der russische Föderale Sicherheitsdienst (FSB) die Verhaftung eines russisch-italienischen Doppelstaatlers bekannt: Er wurde beschuldigt, einen Militärflugplatz angegriffen und eine Eisenbahnlinie sabotiert zu haben. Bei dem Verdächtigen handelt es sich um Ruslan Sidiki, einen 36-jährigen Anarchisten, Langstreckenradfahrer und Elektriker. Ihm droht eine lebenslange Haftstrafe. Derzeit sitzt er in Untersuchungshaft. Mediazona veröffentlichte eine Sammlung von Briefen Sidikis, in denen er beschreibt, warum er sich der Sabotage zuwandte, wie er die Anschläge plante und durchführte und warum er sich als Kriegsgefangener betrachtet. Meduza fasst den Inhalt der Briefe auf Englisch zusammen.
Vor der Annexion der Krim durch Russland und dem Ausbruch des Krieges in der Ostukraine im Jahr 2014 reiste Sidiki häufig in die Ukraine. Dort nahm er unter anderem an Wanderungen durch die Sperrzone von Tschernobyl teil – und baute sich so ein Netzwerk von gleichgesinnten Abenteurern auf, darunter auch Menschen aus der Ukraine.
Ein Gesetzentwurf gegen die Wissenschaftsfreiheit
Am 3. Februar berichtete die Zeitung Wedomosti, dass in Russland ein Gesetzentwurf des russischen Ministeriums für Wissenschaft und Hochschulbildung gebilligt wurde, der alle „Subjekte wissenschaftlicher Tätigkeit“ im Lande verpflichtet, den Föderalen Sicherheitsdienst über ihre Zusammenarbeit mit Ausländern zu informieren.
Die Publikation T-invariant hat den Entwurf untersucht. Und berichtet, wie solche „öffentlichen Dienste zur Kontrolle von Wissenschaftlern“ geschaffen werden sollen und warum der Gesetzentwurf die Arbeit von Forschern, Beamten und sogar den Sicherheitsdiensten selbst erschweren würde. Und was Vertreter der wissenschaftlichen Gemeinschaft selbst über die bevorstehenden Änderungen denken. Meduza veröffentlicht den Text mit geringfügigen Änderungen auf Russisch.
Die Regierung plant außerdem die Verabschiedung einer Liste von wissenschaftlichen und technischen Bereichen, in denen die Beteiligung ausländischer Personen nur nach Absprache mit dem Föderalen Sicherheitsdienst möglich sein wird.
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