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Medienwissenschaftler über Pressesubventionen„Eine vertane Chance“

Mit 220 Millionen Euro will der Bund Presseverlage fördern. Medienwissenschaftler Christopher Buschow kritisiert, wie das Geld vergeben werden soll.

Je höher die Auflage, desto mehr Geld soll der Verlag bekommen Foto: Shot-shop/imago
Anne Fromm
Interview von Anne Fromm

taz: Herr Buschow, das Wirtschaftsministerium will die Pressesubvention an die Auflage der Zeitungen und Zeitschriften koppeln: Je höher die Auflage, desto mehr Geld bekommt der Verlag. Was halten Sie davon?

Christopher Buschow: Dieses Konzept ist eine vertane Chance. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik gibt der Staat eine direkte finanzielle Förderung für privatwirtschaftlich organisierten Journalismus aus – und dann wird sie offenbar nach dem Gießkannenprinzip verteilt. Wenn das Geld an die Auflage der Zeitungen gekoppelt ist, dann gilt: „Wer hat, dem wird gegeben.“ Wir belohnen die, die sowieso schon hohe Auflagen und Reichweiten haben. Was man mit einem solchen Modell aber nicht schafft, ist, Qualität und Innovation zu fördern. Dabei wären das aus meiner Sicht die dringenderen Kriterien.

Der Staat soll die Qualität von Zeitungen bewerten und finanziell belohnen?

In anderen Ländern geschieht das jedenfalls schon, zum Beispiel in Skandinavien. Es ist möglich, Kriterien für die Qualität aufzustellen. Schließlich wollen wir doch nicht die subven­tio­nieren, die Papier bedrucken, sondern die, die mit qualitativ hochwertigem Journalismus zum Funktionieren der Demokratie beitragen. Wenn eine Zeitung oft vom Presserat gerügt wird, könnte sich das zum Beispiel negativ auf die Förderung auswirken. Positiv könnte sich auswirken, wie viele Journalistinnen und Journalisten bei einem Verlag angestellt sind. Aber mit dem jetzigen Konzept ist ja nicht einmal versucht worden, eine Diskussion darüber zu führen, welchen Journalismus wir gesellschaftlich für unterstützenswert halten.

Mit dem Geld soll die „digitale Transformation des Verlagswesens“ vorangetrieben werden. Schafft das Papier dafür die Voraussetzungen?

Mein Eindruck ist, dass der Begriff „Innovationsförderung“ nur Tarnung ist. Echte Innovation wird damit nicht gefördert. Dabei wäre sie dringend nötig: Unsere Forschung zeigt, dass die Verlage für die wirklich großen, disruptiven Innovationen im Journalismus kaum Geld in die Hand nehmen.

Das Wirtschaftsministerium setzt niederschwellig an: Geld bekommen sollen Verlage, die zum Beispiel eine App, Podcasts oder Bezahlsysteme entwickeln. Sollte das nicht längst Standard sein in jedem Verlag?

Ja, ich glaube auch, dass sich die Verlage mit dem Geld vorrangig die Dinge finanzieren lassen, die ohnehin bereits geplant waren. Was mich jedoch viel mehr erstaunt, ist, dass das Konzept auch den „Aufbau von Online-Shops und Rubrikenportalen“ als Digitalinvestitionen aufzählt. Hier besteht die Gefahr, dass der Bund die Verlage ermutigt, sich aus dem Journalismus zurückziehen. Nehmen wir Axel Springer: Dort hat man sich sehr erfolgreich ein Standbein außerhalb des Journalismus aufgebaut, indem etwa Rubrikenmärkte im Internet betrieben werden. Aber diese Portale, die viel Geld einnehmen, sind nicht mit Journalismus verknüpft oder gar auf ihn angewiesen. Für mich zählen sie nicht zum verlegerischen Kerngeschäft.

Bild: Matthias Eckert (Bauhaus-Universität Weimar)
Im Interview: Christopher Buschow

geboren 1986, ist Medienwissenschaftler und Juniorprofessor an der Bauhaus-Universität Weimar.

Im besten Falle subventionieren sie den Journalismus damit quer.

Ich sehe eher die Gefahr, dass sich die Verleger irgendwann doch für das wirtschaftlich vielversprechendere Geschäft entscheiden und den Journalismus auf kurz oder lang fallen lassen.

Gerade wurde die Liste der reichsten deutschen Verleger veröffentlicht. Die Verleger und -familien Springer, Burda, Bauer, Mohn, Holtzbrinck sind reich. Brauchen die wirklich Staatsgeld, um ihre Unternehmen zu retten?

Schwer zu sagen. Wir wissen zu wenig darüber, wie es den Verlagen wirklich geht. Dass ausgerechnet Unternehmen, die mit Journalismus, also Aufdeckung und Transparenz, Geld verdienen, selbst so intransparent sind, ist doch erstaunlich. Grüne, Linke und auch Verdi hatten gefordert, dass die Subventionen daran geknüpft werden, dass die Verlage ihre Bücher öffnen – das ist nun nicht vorgesehen.

Dass der Bund Geld an die Presseverlage zahlt, ist ein großer Schritt. Bisher haben sich die Verlage dagegen gewehrt, auch, weil sie um ihre Unabhängigkeit gefürchtet haben. Nun wurde das Geld quasi durchgewunken. Überrascht sie, dass es so gut wie keine Debatte darüber gab?

Dass es darüber keine gesellschaftliche Debatte gab, überrascht mich nicht. Medienpolitik war schon immer ein Nischenthema. Was ich tragisch finde, ist, dass weder im Parlament, noch in den Ausschüssen über die Förderung debattiert wurde. Das Geld tauchte von heute auf morgen im Nachtragshaushalt auf – ohne, dass vorher Ziele für die Förderung festgelegt wurden, ohne, dass wissenschaftlicher Rat eingeholt wurde. Gehört wurden, das wissen wir aus einer kleinen Anfrage der Links-Partei, ganz überwiegend Lobbyisten und Verbände.

Wie sollte den kriselnden Verlagen aus Ihrer Sicht geholfen werden?

Ich finde staatliche Hilfen prinzipiell begrüßenswert, jedenfalls besser als wenn die Finanzierung journalistischer Innovation auf Google und Facebook angewiesen ist. Das war ja bislang ganz überwiegend der Fall. Die öffentliche Hand müsste aber die Ideen und Konzepte unterstützen, die das größte Potential haben, Journalismus in die Zukunft zu tragen. Eine solche Förderung mit wettbewerblichen Verfahren dürfte nicht nur offen sein für Verlage, sondern auch für journalistische Start-ups, Einzelpersonen und Verbünde. Sie sollte Anschub leisten für innovative Projekte, die sich im Erfolgsfalle selbst tragen können. Ich bin sehr skeptisch, ob das jetzigen Förderkonzept des Wirtschaftsministeriums das leistet.

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  • Mit der Annahme von staatlichen Subventionen begeben sich die Zeitungsverlage in die Abhängigkeit von der Politik. Das ist der Anfang der Selbstzensur.

    Sie werden sich dann Mühe geben der jeweiligen Regierung zu gefallen um den Geldfluss nicht zu gefährden.