Medientage in München: Mehr Frauen, jetzt!
Aller Kritik zum Trotz: Auf den Münchner Medientagen dominieren mal wieder die Männer. Das soll im nächsten Jahr anders werden.
MÜNCHEN taz | Schade, dass Harald Martenstein nicht auf den Münchner Medientagen war. In seiner Welt, wie er sie in seiner Kolumne im Zeit-Magazin beschreibt, dominieren Frauen die Medien. Die Medientage hätten ihm zeigen können, dass seine Wahrnehmung Quatsch ist.
Wobei, man sieht ja immer nur, was man sehen will, und so wären Herrn Martenstein die rund 20 Prozent weiblichen Referentinnen wahrscheinlich ziemlich gewaltig vorgekommen. Vielen anderen Teilnehmern und Teilnehmerinnen war das zu wenig. „Die Medientage werden weiblicher“, hatte Siegfried Schneider, Vorsitzender der Gesellschafterversammlung der Medientage zur Eröffnung gesagt. Sehen konnte man das allerdings weder auf den Podien noch im Publikum.
Auf der Eröffnungsveranstaltung saß in der Runde von sieben Diskutanten eine einzige Frau, die Kanadierin Shahrzad Rafati von dem Onlinevideounternehmen Broadband TV. Die meisten anderen Panel sahen ähnlich aus, rund ein Viertel war sogar ausschließlich männlich besetzt. Der wahrscheinlich einzige Job auf den Medientagen, der weiblich dominiert war, war der der Messehostess: freundlich grinsen, Weg weisen, Brez’n verteilen.
Neu ist das Problem nicht. Im August hatten Journalistinnenverbände, darunter der Lobbyverein „Pro Quote“, die Organisatoren der Medientage in einem offenen Brief ermahnt, sie mögen sich doch bitte für mehr weibliche Speakerinnen einsetzen. Dass das bis zu den diesjährigen Medientagen klappen würde, damit hatten die Autorinnen allerdings nicht gerechnet, sagt eine von ihnen, die Medienjournalistin Sissi Pitzer.
Schwer zu überzeugende Frauen
Ein bisschen Wirkung zeigte der Brief allerdings doch: Es wurde genau eine Keynotespeakerin engagiert, Regula Stämpfli, die – wen wundert’s – über Frauenbilder in den Medien sprechen sollte. Denn neben den wenigen Frauen auf den Podien ist genau das das Problem der Medientage: Die Frauen, die dann sprechen, reden über: zu wenig Frauen in den Medien, Frauen in der Sportberichterstattung oder Journalistinnen im Ausland. Frauen als Fachexpertinnen sitzen hingegen selten auf den Podien.
Das – im Übrigen rein weiblich besetzte – Organisationsteam der Medientage ist sich dessen bewusst, verteidigt sich aber damit, dass Frauen schwerer zu überzeugen seien: zu bescheiden, zu unerfahren, zu zögerlich. Dabei zeigen andere Medienkongresse, wie die Social Media Week in Berlin oder der Zündfunk Netzkongress, dass es einige Frauen gibt, die gern und kompetent in solchen Kreisen mitdiskutieren.
Die zweite Konsequenz aus der Kritik der Journalistinnen war ein kurzfristig anberaumtes Frauenfrühstück. Als Zuhörerinnen kamen gut 20 Journalistinnen, alle mächtig wütend auf die Männerpanel. Im nächsten Jahr soll alles anders werden, deswegen wollen die Organisatorinnen der Medientage mit Journalistinnenverbänden kooperieren. Anfang des nächsten Jahres soll es einen Workshop geben, wie Frauen richtig zu überzeugen sind. Denn das Problem, glaubt Sissi Pitzer, beginne schon da, dass die Organisatorinnen Frauen falsch ansprechen. Viele Panel seien politisch besetzt, Frauen gälten da oft nur als Alibi.
Die Kooperation dürfte nur ein kleiner Anstoß sein. Denn rund zwei Drittel der Panel werden von Fremdveranstaltern, wie Sky, Pricewaterhouse Coopers oder dem ZDF besetzt. Die zahlen viel Geld für solche Diskussionsrunden – und besetzen sie so, wie sie das für richtig halten.
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