■ Medienschau: Demirels Deutschlandbesuch und trojanische Pferde
Die Deutschlandvisite des türkischen Staatspräsidenten Süleyman Demirel war letzte Woche das beherrschende Thema in allen türkischen Tageszeitungen, die in Frankfurt erscheinen. Neben den Erwartungen der in Deutschland lebenden Türken von „ihrem Präsidenten“ beschäftigten sich die meisten Kolummnisten mit der Haltung Deutschlands zu der Menschenrechtsfrage in der Türkei. In diesem Zusammenhang kritisiert der Chefredakteur der Europaausgabe der nationalliberalen Hürriyet den Bundestagsabgeordneten Cem Özdemir: „Es ist normal, daß der Besuch Demirels in Deutschland auch die hier ansässigen Seperatisten-Gruppierungen aktiviert ... Was uns überrascht, ist aber die Parallelität, daß sich nun auch der Bundestagsabgeordnete der Grünen, Özdemir, ins Zeug legt. Er sagt in einem Interview, daß die Menschenrechte in der Türkei mit den Füssen getreten und die Kurden gequält würden und daß die Türkei zu einer politischen Lösung des Konflikts gezwungen werden müßte ... Demirel kommt nach Deutschland, um den Dialog mit diesem Land zu fördern. Unser Cem Özdemir gießt aber Benzin ins Feuer. Was will er denn? Auf der einen Seite beruft er sich auf seine türkische Herkunft, nimmt deshalb das Recht für sich in Anspruch, seine Nase in alle türkischen Angelegenheiten zu stecken, und sucht Menschenrechtsverletzungen nur in der Türkei. Auf der anderen Seite übersieht er, daß Türken in seinem Land (Deutschland) einfach abgefackelt werden. Nach unserer Meinung mißbraucht Cem Özdemir seine ,türkische Herkunft‘. Da man sein wahres Gesicht nicht kennt, wird er in der Türkei als ein vorbildlicher türkischer Junge hofiert, der es geschafft hat, in den deutschen Bundestag gewählt zu werden. Alle Türen stehen ihm in Ankara offen. Alles an Wissen und Erfahrung, das er in der Türkei bekommt, setzt er in Deutschland zugunsten der seperatistischen Kreise ein. Gelegentlich gaukelt er uns vor, er würde die Interessen der Türken in Deutschland vertreten. Im selben Augenblick fällt er uns in den Rücken. Dieser Cem Özdemir ist regelrecht ein trojanisches Pferd. Wir betrachten ihn nicht wie einen Menschen, den wir respektieren ...“ 5. 11. 96
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