■ Medienschau: Über den Zustand in deutschen Knästen
In der letzten Zeit inspizieren türkische Politiker zunehmend den deutschen Knast.Sie besuchen die türkischen Inhaftierten, um von ihnen über ihre Hafterfahrungen zu hören. Die liberale Tageszeitung Milliyet (Frankfurt) führte ein Interview mit dem sozialdemokratischen Abgeordneten der DSP, Hikmet Aydin. Aydin hat versucht das Gefängnis in Butzbach zu besuchen: „Wenn irgendwelche Leute in die Türkei kommen und uns zur Rede stellen können, wie es bei uns aussieht, müssen wir auch das gleiche tun können. Im deutschen Strafvollzug begingen in den letzten sechs Jahren über 25 türkische Inhaftierte Selbstmord. Trotz mehrfacher Bitten stellte uns der Grüne Justizminister des Landes Hessen keine offizielle Besuchsgenehmigung für die Haftanstalten aus. Als wir dann doch mit der Genehmigung des Gefängnisdirektors in die Anstalt kamen, hat man uns den Zugang zu den Zellen verwehrt! Mit türkischen Inhaftierten konnten wir nur in einem Besuchersaal sprechen. Ohne Ausnahme haben alle Inhaftierten den Wunsch geäußert, ihre Strafe in türkischen Gefängnissen absitzen zu wollen. Die Inhaftierten beschwerten sich über die einseitige Ernährung (alles nur mit Kartoffeln), die feuchten, kleinen Zellen und auch über die unmenschlichen Strafmethoden, z. B.: über die sogenannte Beton-Spritze. Diese Spritze wird den rebellischen, unruhigen Inhaftierten injiziert. Dadurch sollen diese Inhaftierten ,ruhiggestellt‘ werden, so daß sie am ,aktiven Leben‘ nicht mehr teilnehmen können. Vielleicht sollten sich manche deutsche Parlamentarier auch über solche Knastmethoden in Deutschland Gedanken machen, wenn sie für sich das Recht in Anspruch nehmen, in der Türkei Büros aufzumachen, die die Mißstände im türkischen Strafvollzug beobachten sollen [gemeint ist Claudia Roth, Grüne Abgeordnete].“ 20.11. 96
Die Medienschau bezieht sich auf türkische Medien, da diese mit eigenen Büros und eigenen Ausgaben in Deutschland vertreten sind und starken Einfluß auf die größte Emigrantengruppe haben.
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