Medienkritik von Tennisspielerin Osaka: Problematische Unterstützer
Naomi Osaka kritisiert, dass Journalisten die mentale Gesundheit von Sportler:innen gefährden können. Doch das hängt entscheidend vom eigenen Berufsverständnis ab.
E s ist diese Woche so einiges durcheinandergeraten, was sortiert werden sollte. Der Turnierabbruch von Naomi Osaka bei den French Open hat bei manch einer und einem den Eindruck hinterlassen: Journalismus gefährdet die psychische Gesundheit von Tennisspieler:innen, weil er in seinem kritischen Wesen die mentale Gesundheit der Sportler:innen angreift. Das Gegenteil ist allerdings richtig: Würde mehr Wert auf Journalismus gelegt werden und sich viele Berichterstatter:innen nicht wie enttäuschte Fans gebärden, wäre das ein erster Schritt, um mögliche Grenzüberschreitungen zu verringern.
Angefangen hat alles mit dem Presseboykott der japanischen Weltranglistenzweiten zu Beginn des Turniers. Osaka erklärte, auf den Pressekonferenzen nach den Spielen höre man immer dieselben Fragen, welche häufig das Selbstbewusstsein der Befragten zerkleinern würden.
Mit einem Boykott der Medien wollte sie ein Zeichen für mehr Achtsamkeit mit den Athlet:innen setzen. Die Turnierleitung reagierte mit einer Geldstrafe und einer Ausschlussdrohung, die Mitspieler:innen mit dem Vorwurf der Unprofessionalität. Journalistenrunden könnten zwar echt übel sein, seien aber eben auch eine Stütze des recht einträglichen Geschäfts.
Die Kälte, die Osaka entgegenschlug, dürfte sie dann in ihrer Verzweiflung dazu bewegt haben, sich nicht mehr als Sprecherin ihrer Zunft, sondern in eigener Sache zu melden. Seit ihrem Durchbruch an die Weltspitze 2018 leide sie schon unter Depressionen, bekannte sie. Die Erwartungen an sie, nicht nur Höchstleistungen zu vollbringen, sondern auch als öffentliche Person greifbar zu sein, überforderten sie in ihrer introvertierten Art. Dieser Mut zur Offenheit brachte ihr wiederum zu Recht viel Bewunderung und Solidarität ein.
Zu grobe Debatte
Doch die von Osaka angestoßene Debatte über die problematischen Folgen eines gnadenlosen Leistungssportsystems, zu dem die Vertreter:innen der Medien gehören, wird derzeit noch zu grob und undifferenziert geführt. Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton etwa befand, man sollte junge Athlet:innen unterstützen und keinen Druck aufbauen. Das Problem ist, dass das eine ohne das andere nicht zu haben ist. Wenn Journalist:innen anfangen, ihre Aufgabe darin zu sehen, unterstützend für Sportler:innen tätig zu sein, ist es nicht weit zur Enttäuschung und zum Druck, wenn all diese Unterstützung nichts geholfen hat.
Osaka hat in ihrem Abschiedsstatement von Paris noch einmal versichert, die Tennispresse sei immer freundlich zu ihr gewesen. Selbst wenn sie persönliche negative Erfahrungen verschweigt, dürfte sie aber am Beispiel von Kolleg:innen mitbekommen haben, wie diese Freundlichkeit schnell in Enttäuschung umschlagen kann. Diese Art von „Journalismus“, der auf Distanz verzichtet und beständig nach einem emotionalen Näheverhältnis strebt, erhöht die Verwundbarkeit von Sportler:innen.
Dass diese im Wechselbad der Gefühle immer häufiger auf den Gedanken kommen, die Aufgabe ihrer Außendarstellung könne man doch komplett in die Hände verlässlicherer PR-Arbeiter geben, ist nachvollziehbar. Es braucht indes mehr und nicht weniger kritische Sportjournalisten, die nicht etwa Siege abfeiern oder eine hohe Niederlage zum Skandalon aufbauschen, sondern die distanzierter berichten und sich mehr mit strukturellen Problemen des Leistungssportsystems beschäftigen sollten. Zu diesen Problemen gehört die fortwährende Entmündigung der Athlet:innen. Naomi Osaka würde gern das Verhältnis zwischen Presse und Spielerinnen neu ausloten. Das wäre ein guter Anlass, professionelleren Sportjournalismus zu stärken.
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