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Medienkampagne gegen GenderdozentinUnter dem Druck der Blätter

Eine Schweizer Soziologin schreibt in ihrem Blog, Medien sollten nicht mehr über SVP-Politiker berichten. Sie gerät ins Visier rechter Zeitungen.

Politikerinnen wie die SVP-Nationalratsabgeordnete Martullo-Blocher wollte Schutzbach ignorieren Foto: reuters

Darf frau dazu auffordern, „Rechtsnationalisten“ politisch und wirtschaftlich zu boykottieren? Der Schweizer Feministin und Genderwissenschaftlerin Franziska Schutzbach mit Lehrauftrag an der Uni Basel ist jetzt mit großer Verspätung ein Text zum Verhängnis geworden, den sie am 26. Mai letzten Jahres auf ihrem privaten Blog „Präzis und kopflos“ veröffentlicht hatte.

Ausgehend von ihrer „Furcht“, es werde „nicht funktionieren, die rechtsnationalen Kräfte in Europa auf formal-demokratischem Weg zurückzudrängen“, stellte sie die Frage, ob nicht alle „nichtreaktionären“ Menschen in Politik, Justiz, Verwaltung, Bildungseinrichtungen und anderen öffentlichen Institutionen Gespräche mit rechtsnationalen Personen einstellen sollten.

Medien sollten nicht mehr über rechtsnationale Politiker berichten, zudem gebe es „auch die Möglichkeit“, dass Hotels keine Zusammenkünfte der rechtspopulistischen Schweizer Volkspartei zulassen, niemand mehr Anzeigen in der SVP-nahen Weltwoche schalte.

Anfang November grub die Weltwoche den Text aus und startete mit der ebenfalls SVP-nahen Basler Zeitung eine Kampagne gegen Schutzbach. Unter diesem Druck kritisierten schließlich auch grüne und sozialdemokratische PolitikerInnen in Basel sowie die Rektorin der Uni die Äußerungen Schutzbachs als „demokratiefeindlich“.

Am Dienstag wurde bekannt, dass Schutzbach nach dem Auslaufen ihres Lehrauftrags im Januar keinen weiteren Auftrag erhält. Ein solcher sei auch nicht beantragt worden, sagt der Dekan der Historisch-Philosophischen Fakultät. Dennoch feiern die Schweizer Rechtspopulisten und die ihnen hörigen Medien den Abgang der verhassten Feministin jetzt als Erfolg.

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14 Kommentare

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  • Das Gegenbeispiel findet sich an der Uni Leipzig. Dort lässt ein Professor einen rassistischen Tweet nach dem anderen ab und die unileitung zuckt mehr oder weniger mit den Schultern und verweist darauf dass es ja "nur" eine private Meinungsäußerung sei. Volksverhetzer Hocke bleibt verbeamtetee Lehrer und und wie dieser Rechtsradikale AfD Richter in Sachsen im Amt bleiben kann bleibt mir auch ein Rätsel. Aber ja liebe Rechte ihr seid ja so sehr Opfer. Mimimi..

    • @Der Epping:

      Solange diese Leute zB (leider) keine entsprechenden Straftaten begehen, bleiben Sie wohl in Amt und Würden. Das sollte man nicht nur als Versagen (von Gesellschaft und Institutionen) begreifen, sondern als eigene Schutzmöglichkeit sehen, sollte es darauf ankommen.

      Wir müssen nur verhindern, dass sich Schutzräume verkleinern oder beseitigt werden.

  • Es ist ja schön, dass über diesen Fall berichtet wird. Aber leider ist die TAZ hier auf die Basler Zeitung Schmierkampagne reingefallen. Frau Schutzbach hatte einen einmaligen Lehrauftrag. Eine Verlängerung war nie vorgesehn und wurde auch von keiner Seite je beantragt. Schlicht eine Falschmeldung. Siehe z.B Artikelserie dazu bei http://www.tageswoche.ch ...

    • Andreas Zumach , Autor des Artikels, Autor
      @Lego:

      In meinem Text (letzte drei Sätze) ist der Sachverhalt exakt so beschrieben,wie Sie ihn darstellen.Ihr falscher Eindruck, die TAZ sei af die Schmierenkampagne der Basler zeitung reingefallen, kann allerhöchstens entstanden sein durch die von der Redaktion (nicht von mir) formulierte, irrenführende Überschrift-Unterzeile "Das kostet sie ihren Lehrauftrag".

       

      Mit freundlichen Grüßen

      Andreas Zumach

  • "Ein solcher sei auch nicht beantragt worden" Ähm, eine nicht mal beantragte Verlängerung findet nicht statt. Was soll da das falsche "Das kostet sie ihren Lehrauftrag"?

  • Mit den eigenen Waffen...

    Wir haben die Wissenschaft politisiert. Wer etwas gegen die herrschende Meinung sagt, wird abgesägt. Wissenschaftsfreiheit war einmal. Das wurde gerade durch die Genderfraktion durchgesetzt.

    Die Schweizer_innen sind sehr empfindlich was ihre demokratischen Rechte angeht. Für sie ist es wichtiger, die Demokratie zu erhalten, als unliebsame Meinungen zu unterdrücken. Da unterscheidet sich das Schweizer Etablissment vom deutschen Etablissment. In Deutschland ist Ausgrenzung und Zensur ein beliebtes Mittel - Hauptsache der Zweck erscheint unterstützenswert. Zudem kann man der SVP zwar einiges vorwerfen - die Abschaffung der Demokratie gehört aber sicher nicht dazu.

    Im Ergebnis mag es bedenklich sein, die Wissenschaftsfreiheit so einzuschränken. Allerdings sollten da die Genderwissenschaftlerinnen erst einmal vor der eigenen Tür kehren. Inhaltlich ist ein erfeuliches Eintreten für demokratische Werte - etwas was in Deutschland leider immer mehr verloren geht.

    • @Velofisch:

      Wer glaubt, dass Wissenschaft unpolitisch sein kann, hat den wissenschaftlichen Betrieb nicht verstanden. Vor allem, da es ja offensichtlich die Rechten sind, die hier Wissenschaftler*innen absägen, so wie im Fall Holm z.B. Nennen Sie mir bitte einen rechten Wissenschaftler, der seinen Job verloren hat, weil er nationalistischen oder rassistischen Shit verfasst hat. Kritisiert (Baberowski, Münkler u.a.) ja, aber die sind noch da, oder?

  • Und dies ist erst der Anfang.

    Wir dürfen es nicht hinnehmen, das nach der Politik und Wirtschaft nun auch die Wissenschaft am Gängelband der Rechtspopulisten und Rechsnationalen hängt.

    Die die lauthals Demokratie, Volk und Meinungsfreiheit rufen um ihre Hetze gegen Minderheiten zu verbreiten...die feiern nun ihre Jagd gegen eine kritische Feministin und Genderforscherin unverblümt.

    Dazu dürfen wir nicht schweigen oder tatenlos zu sehen!

    • @michèle meyer:

      Richtig.

  • 6G
    677 (Profil gelöscht)

    "und die ihnen hörigen Medien" -

    der "Stürmer" lässt Grüßen ???

  • Naja, die Frau hat ja durchaus einige fragwürdige Aussagen getätigt. Die direkte Ablehnung von Demokratie oder auch so schöne Sachen wie:

     

    "Die Ideologie der freien Marktwirtschaft habe es möglich gemacht, dass Medien Forscher an Universitäten kritisieren könnten, schreibt Schutzbach"

     

    Damit stellt sie also auch die 4. Gewalt in Frage. Wenn die taz einen Forscher kritisiert, weil der von der Atomindustrie bezahlt wird und seine Studien entsprechende positive Resultate liefern, dann wäre das also aus ihrer Sicht nicht in Ordnung und ein Zeichen von Neoliberalismus.

     

    Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde.

    • @Yoven:

      Dort, meine ich, hat die Betroffene völlig recht.

      Sie müssen sich einmal mit einem marktradikalen "nach oben ist alles offen"-Psychopathen unterhalten. Das ist ersteinmal harte Kost. Wenn der von mir gemeinte Effekt eintritt, würden Sie Gendersprache lieben :-)).

  • Unabhängig von ihrem Fachbereich hat sich Frau Schutzbach hat sich ihr eigenes Grab geschaufelt.

    Der Riss in der Gesellschaft (egal ob Deutschland oder in der Schweiz) ist doch gerade deshalb so tiefgehend, weil wir jetzt schon den Medien folgen, die unserer Meinung am ehesten entsprechen. Wir bevorzugen die Gesellschaft von Gesinnungsgenossen. Andere Meinungen werden bestenfalls als störend wahrgenommen.

     

    Wir können Gräben nur dann zuschütten wenn man aufeinander zugeht und das Gespräch sucht.

    • @FrankUnderwood:

      Sehr richtig. Danke für Ihre Meinung.