Medien zum Krieg in Nahost: Verzerrte Tatsachen
Nicht selten ist die Berichterstattung über den Krieg im Nahen Osten sehr einseitig. Schwarz-weiße Betrachtungen werden der Realität kaum gerecht.
A ls kürzlich der Sprecher der israelischen Regierung den britischen Sky News ein Interview gab, kam die Frage, ob die Tatsache, dass für 50 israelische Geiseln 150 palästinensische Häftlinge freigelassen werden, Indiz dafür sei, dass in Israel palästinensische Leben als weniger wertvoll erachtet werden als israelische. Dem sonst sehr schlagfertigen Regierungssprecher hat es daraufhin einen Moment lang die Sprache verschlagen.
Die Hamas weiß spätestens seit dem Jahr 2011, als über 1.000 Häftlinge für einen entführten israelischen Soldaten ausgetauscht wurden, was Israel für das Leben seiner Bürger und Bürgerinnen herzugeben bereit ist. Es ist nahezu surreal, diese erpressische Situation umzudrehen und zu suggerieren, dass Israel palästinensische Leben nicht wertschätzt.
Viele Juden, Israelis und andere Beobachter – egal, ob sie für oder gegen den Krieg in Gaza sind – erleben in diesen Wochen immer wieder eine Tatsachenverzerrung, die man als mediales „Gaslighting“ bezeichnen könnte. Vor lauter Infragestellung trauen sie kaum noch ihren eigenen Ohren und Augen. An Beispielen mangelt es nicht: So schweigen feministische Organisationen eisern zu den grausamen sexuellen Gewaltverbrechen des 7. Oktobers.
Der irische Premierminister twitterte über die Freilassung einer 9-jährigen Geisel, dass ein „verlorenes“ Mädchen „wiedergefunden“ worden sei. Ein wichtiger deutscher Sender stellt fest, dass „From the river to the sea, Palestine will be free“ auch als friedliche Botschaft gemeint sein kann – obwohl ein Blick auf die Landkarte wenig Zweifel daran lässt, dass die Existenz Israels damit aberkannt wird.
Wer in solchen Fällen erbost nach Klarheit ruft oder die eindeutige Benennung der Tatsachen einfordert, wird kopfschüttelnd den Vertretern eines bestimmten Narrativs zugeordnet, zu dem es, wie immer bei diesem Thema, stets auch die Gegenposition geben muss. Haltungen, die nicht in das Modell der Unterdrücker und Unterdrückte passen, scheint es gar nicht mehr geben zu dürfen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei