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Medien im IrakDie Radiobrücke

Im Westteil Mossuls herrscht weiterhin der „Islamische Staat“, Zivilisten hungern. Opposition kommt jetzt von einem kurdischen Piratensender.

Nicht allein der IS wütet im Osten Mossuls, auch der Hunger – für Lebensmittel müssen die Zivilisten lange anstehen Foto: dpa

Erbil taz | Die Leitung knarzt. Die junge Frauenstimme am anderen Ende spricht leise, aber bestimmt. „Wir haben kaum noch etwas zu essen“, sagt sie. „Wie lange sollen wir das aushalten?“ Dann ist das Gespräch bereits zu Ende.

Die Hörerin ruft aus dem Westen Mossuls an. Die Gebiete westlich des Tigris, der die zweitgrößte Stadt des Irak teilt, befinden sich weiterhin unter der Kontrolle der Extremisten des „Islamischen Staats“ (IS). Wie geht es den Menschen dort? Wie ist das Leben unter der IS-Herrschaft? Darüber soll der Rest der Welt, geht es nach dem Willen der Steinzeitislamisten, nichts erfahren.

Oder wenn, dann nur das, was ihre eigene Propagandaabteilung verbreitet: Der Kampf sei erfolgreich, die Gotteskrieger hätten wieder Dutzende Ungläubige in die Hölle geschickt, tönt es in ihrem Radiosender. Andere Sender, aber auch Handys sind verboten, Internetzugang gibt es nur über von den Extremisten kontrollierte Internetcafés.

Diese Totalblockade zu durchbrechen, war das Ziel von Mohammed al-Moslawi, als er vor knapp zwei Jahren den Radiosender Al Ghad gründete. Der 28-Jährige in Amerika ausgebildete Informatiker war erst vor wenigen Monaten in seine Heimatstadt zurückgekehrt, als der IS im Juni 2014 Mossul überrannte. Mit seiner Familie floh er wie viele andere Einwohner der Stadt in den von den Kurden errichteten Teilstaat im Nord­irak. „Ich wollte etwas für die Menschen in Mossul tun“, sagt er im Gespräch mit der taz. „Ein Radiosender schien mir genau das Richtige. Sie können alles Mögliche unterdrücken, aber den Äther kann man nicht einfach verbieten.“

Im Störfeuer

Anfangs hätten es die Fanatiker mit Störsendern versucht. „Wir mussten ständig unsere Frequenzen ändern.“ Doch Al Ghad setzte zum Gegenangriff an und störte seinerzeit das IS-Radio. „Inzwischen haben wir mehrere Frequenzen, so dass ihre Störmanöver ins Leere laufen.“

Aus Angst vor Anschlägen der Extremisten will Moslawi aber nicht, dass wir schreiben, wo sich das Studio genau befindet. Nur so viel: in Kurdistan. Auch seinen wahren Nachnamen sollen wir nicht nennen. Das gilt auch für die Hörerinnen und Hörer. „Freier Vogel“ nennt sich die Frau, die sich über die Versorgungslage beklagt. Eine andere stellt sich als Umm Mohammed vor, die Mutter von Mohammed – ein Allerweltsname im Irak. „Linke oder rechte Seite?“, fragt der Moderator.

Sie können alles Mögliche unter­drücken, aber den Äther kann man nicht einfach verbieten

Mohammed al-Moslawi

Gemeint sind die Ufer des Tigris. Mehr sollen die IS-Kämpfer, die es hören, nicht erfahren. Denn die Anrufe sind lebensgefährlich. Wer sich dem Regime der Extremisten widersetzt oder in Verdacht gerät, Informationen an ihre Gegner zu übermitteln, den bringen sie um.

Manchmal ist es nicht mehr als ein Lebenszeichen an die Angehörigen in der Stadt. „Ich bin in Sicherheit, macht euch keine Sorgen“, sagt ein Mann. Andere senden Grüße aus dem Ausland, auch ein Hörer aus der Schweiz ist dabei. Die „sechste Brücke“ über den Tigris nennen viele den Sender. Die fünf Brücken, die den Fluss überspannen, hat die von den Amerikanern angeführte Anti-IS-Koalition zerbombt, um den das Übersetzen der Extremisten zu verhindern.

Die sechste Brücke steht

Aber die Radiobrücke funk­tio­niert. Täglich nehmen die Moderatoren Dutzende Anrufe entgegen. „Und es werden immer mehr“, sagt Moslawi. Der kleine Piratensender, der fast ausschließlich Musik spielte, als er im März 2015 an den Start ging, hat sich zu einem Sender mit einem vielfältigen Programm entwickelt. Inzwischen produziere das kleine Team von 18 Mitarbeitern 16 Programme, sagt Moslawi.

Ein Professor in islamischer Theologie seziert die IS-Ideologie. In einer Gesundheitssendung gibt ein Experte Auskunft, wie man aus Kräutern Medizin herstellen kann. In einer anderen Sendung geht es um die spezielle Kultur der Stadt am Tigris: ihre Erzählungen, Musik oder Architektur. Wie die Zuhörer stammen auch die Moderatoren aus Mossul, Mos­la­wis, wie man sie im Irak nennt. „Ein Sender von Moslawis für Moslawis“, sagt der Direktor. Immer wieder beschweren sich Hörer freilich auch über die Angriffe der Armee. „Sie schießen Raketen und zünden Autobomben“, sagt ein Mann mit Blick auf die IS-Kämpfer. „Dann bombardiert die Armee. Aber hier wohnen Zivilisten. Es gibt viele Opfer.“

Er ist nicht der Einzige, auch andere fordern, dass die Armee mehr Rücksicht auf die Zivilbevölkerung nehmen müsse. Aber nicht nur aus dem vom IS kon­trol­lierten Westteil gibt es Kritik, sondern auch aus dem Ostteil, aus dem die irakischen Truppen den IS Ende Januar nach fast vier Monaten harter Kämpfe vertrieben haben. „Wir haben mehr als zwei Jahre auf die Befreiung gewartet“, sagt ein Mann, der sich Safir nennt.

„Und jetzt das: Die Regierungsvertreter vergeuden Millionen für ihre Treffen. Aber wir haben nichts, kein Essen, kein Strom, kein Wasser.“ Die Offiziellen sollten sich die Klagen genau anhören, sagt Moslawi. „Es geht um die Zukunft unserer Stadt. Die Menschen brauchen Hoffnung.“

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