Mediaspree: SPD versenkt Sonderausschuss
Die SPD Friedrichshain-Kreuzberg lehnt überraschend den Termin für die Konstutition des Mediaspree-Sonderschusses Mitte September ab. Die Grünen reden von Verschleppung
Die SPD in Friedrichshain-Kreuzberg vollführt beim Thema Mediaspree offenbar eine Kehrtwende. In einer Email, die der taz vorliegt, lehnt SPD-Fraktionsvorsitzender Andy Hehmke den vorgeschlagenen Termin für die Konstitutierung des geplanten Sonderausschusses ab. Die Grünen-Fraktion im Bezirk wirft der SPD nun vor, die Einsetzung des Gremiums zu verzögern. "Es gibt keinen Grund, den Ausschuss zu verschleppen", sagt Antje Kapek, stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV).
Der Ausschuss soll darüber beraten, wie es nach dem erfolgreichen Bürgerentscheid gegen Mediaspree weitergeht. Hehmke reagierte mit seiner Email auf eine Einladung der BVV, am übernächsten Montag den Ausschuss zu konstituieren. Die SPD-Fraktion schlägt stattdessen in der Email vor zunächst den Ältestenrat über das weitere Vorgehen diskutieren zu lassen. Die Partei habe noch nicht entschieden, wen sie in den Ausschuss entsenden wolle. "Der Termin wurde unvermittelt und überraschend angesagt", sagte Hehmke der taz. Stimmt nicht, kontert Kapek. Die SPD habe drei Monate Zeit gehabt, sich über die Kandidaten für den Ausschuss Gedanken zu machen.
Hinter der zögerlichen Haltung der SPD-Fraktion könnte der seit Monaten schwelende Streit mit ihrer Gesamtpartei im Bezirk stehen. Bislang hatte sich die Fraktion auf die Seite der Mediaspree-Gegner geschlagen und müsste folglich auch den Ausschuss unterstützen. Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer, ebenfalls SPD, dürfte der neue Kurs gelegen kommen: Sie misst dem Bürgerentscheid vom Juli ohnehin keine größere Bedeutung bei und verweist stets auf die geltenden Beschlüsse, auf die sich die Investoren verlassen könnten. Bislang hat sie indes keinen Hinweis darauf gegeben, dass sie das Verfahren ob der Querelen im Bezirk an sich zieht.
Die Stimmen, die genau dies befürworten, mehren sich: Anfang der Woche wurde ein Schreiben der Investoren-Anwälte mit einer entsprechenden Forderung bekannt. CDU und FDP auf Landesebene bliesen ins gleiche Horn - und bewiesen, wie wenig sie informiert sind. Die Fraktionschefs Friedbert Pflüger (CDU) und Martin Lindner (FDP) regten sich über die Umwidmung des Geländes am Ostbahnhof auf, auf dem der Klub "Maria" steht. Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) hatte dies aber bereits im Juli beschlossen und dies öffentlich gemacht.
Der Bezirk hatte die landeseigene Fläche, die der Liegenschaftsfonds veräußern wollte, zur Grünfläche erklärt. Der Grundstückswert beträgt laut Liegenschaftsfonds mehr als fünf Millionen Euro. Wenn Lindner nun erklärt: "Jetzt ist das eingetreten, was nach dem schwachsinnigen Bürgerentschied zu befürchten war - die ersten Millionen werden in den Sand gesetzt", kommt er mit seiner Kritik schlicht zu spät. "Die Reaktionen jetzt sind falsch", sagte der Bürgermeister prompt.
Der Sonderausschuss soll nun klären, ob und wo weitere Pläne geändert werden können. In Fahrt gekommen war die Diskussion um das Gebiet zwischen Jannowitz- und Elsenbrücke durch die Bürgerinitiative "Mediaspree versenken", die tausende Stimmen gegen die Investoren-Pläne gesammelt und den Weg für den Bürgerentscheid Mitte Juli geebnet hatte. Bei der Abstimmung erhielt die Forderung der Aktivisten, mindestens 50 Meter Abstand zwischen Ufer und Bebauung zu halten, eine deutliche Mehrheit. Schulz erklärte hernach, den Bürgerwillen zu berücksichtigen, solange es nichts extra koste.
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