Medialer Umgang mit Paragraf 219a: Werbung ≠ Information
„Buzzfeed“ beschreibt Paragraf 219 a neuerdings als „Informationsverbot“ statt als „Werbeverbot“ von Abtreibungen. Gut gemeint, aber ungenau.
Werbung ist Werbung, und Information ist Information. Diese Aussage leuchtet ein – möchte man meinen. Wenn man sich die aktuelle politische und mediale Debatte zum Paragrafen 219 a StGB ansieht, kommen einem aber doch Zweifel am Vermögen einiger Politiker*innen, diesen Unterschied zu erkennen.
Viele Politiker*innen und Medien sagen „Werbeverbot“ für Abtreibungen, wenn sie über diesen Paragrafen sprechen. Eine Unschärfe – denn tatsächlich verbietet dieses Verbot der „Werbung“ auch Information. Deswegen werde man künftig nur noch von einem „Informationsverbot“ sprechen, erklärte am Montag Daniel Drepper, Chefredakteur von Buzzfeed Deutschland. „Das Wort ‚Werbeverbot‘ klingt so, als wäre es Ärztinnen lediglich verboten, reißerische TV-Spots zu buchen oder Sonderrabatte auf Abbrüche zu geben“, schreibt Drepper.
Tatsächlich lautet der Titel von Paragraf 219 a: „Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft“, verortet im Strafrecht bei den „Straftaten gegen das Leben“. Es fällt aber auch unter diese „Werbung“, wenn Ärzt*innen öffentlich darüber informieren, dass sie Abtreibungen durchführen. Zum Beispiel auf ihrer Webseite. Die Gießener Ärztin Kristina Hänel wurde deswegen im November 2017 zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt.
Seitdem diskutieren Politik und Medien das Gesetz. SPD, Grüne, FDP und Linke wollen, dass Information möglich wird. CDU und CSU malen Horrorszenarien von anpreisenden Werbeplakaten. Dass es um sachliche medizinische Information geht, blenden so manche Unionspolitiker*innen offenbar ganz bewusst aus. Er sei „sehr für intensive Information in der konkreten Situation“, erklärte etwa Gesundheitsminister Jens Spahn auf Twitter. „Aber ich bin entschieden gegen Werbung.“
Dem offensiv etwas entgegenzusetzen, wie Buzzfeed es tut, ist ein guter Impuls in einer politischen Diskussion. Mit solchen bewussten Irreführungen sollte man Politiker*innen nicht durchkommen lassen. Der Begriff „Informationsverbot“ verwischt aber, dass CDU und CSU eigentlich nur das tun, was ja auch das Gesetz tut – nämlich Werbung und Information gleichsetzen.
Guter Journalismus muss darauf immer wieder hinweisen. In jeder Meldung. Den gesamten Paragrafen erklären. Genau sein. Und diese Genauigkeit dann auch von der Politik einfordern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt