Mediale Vorurteile gegen die Provinz: So blöd ist kein Mensch

Wenn Hauptstadtjournalisten ins Umland helikoptern, hagelt es Klischees. Die Realität wird dann zurechtgebogen, bis sie ins Bild passt.

Werbeslogan des RBB

RBB-Werbebotschaft Foto: Britta Pedersen/dpa

Es ist ein Ding, einen Sachverhalt einer Bewertung zu unterziehen. Ein anderes, die Beteiligten kraftvoll mit einer fettigen Sauce aus Geringschätzung zu übergießen. Nazis zum Beispiel. Nerven rum und rauben einen Teil jener Kraft, mit der man doch lieber das Land zum Besseren verändern würde. Aber ist das ein Grund, sich über ihre Rechtschreibung lustig zu machen? Eher nicht. Wer Distinktionsgewinn daraus zieht, in der Schule besser aufgepasst zu haben oder bei Manufactum einzukaufen, sollte sein Demokratieverständnis mal einer strengen Prüfung unterziehen.

„Wovon redet die Frau?“, werden Sie sich möglicherweise fragen. Konkret also: In meinem weitläufigen Brandenburger Landkreis haben GemeindevertreterInnen eines Speckgürtelstädtchens jüngst beantragt, den örtlichen Wohnungsbau auf Einfamilienhäuser zu begrenzen. Außerdem will man die 30 Jahre lang erkämpfte und mittlerweile bewilligte S-Bahn-Anbindung nach Berlin stoppen. Begründung: Es sei bereits „eine zunehmende Entfremdung der Einwohner festzustellen“. Zudem drohe der Stadt „ein Identitätsverlust“.

Wer hier bei Inhalt und Form astreine Fremdenfeindlichkeit ausmacht, liegt goldrichtig. Das Städtchen hat zwar eine fitte SPD-Bürgermeisterin. Doch um das ganze Wir-wollen-hier-keine-Fremden-aber-dafür-ganz-viele-Schottergärten-Geschwafel durchzukriegen, hat die örtliche CDU gemeinsam mit einer rechts drehenden Wählergemeinschaft dem Antrag auf Fremdenfeindlichkeit zur Mehrheit verholfen. Übrigens gemeinsam mit AfD und NPD.

Da staunen Sie vielleicht, weil bekanntlich die CDU so viel Wert darauf legt, nicht mit der AfD zu kooperieren. Gut möglich, dass die sich als Christdemokraten gedacht haben: Ach scheiß drauf, wenn auch die NPD was gegen Zuzug hat, wirkt die AfD gleich harmloser.

Schön in Moll

So weit, so verstörend. Aber was tut nun mein Heimatsender, also der Rundfunk Berlin-Brandenburg? Er schickt einen superironischen Reporter raus nach Brandenburg, auf dass er die Trostlosigkeit nämlicher Gemarkung Bild und Ton werden lasse. Es gibt viel kalten Märzwind da draußen bei den Wilden, es gibt Rollatoren und alte Leute, die in rauem Dialekt zu Protokoll geben, dass es hier nicht viel Sehenswertes gebe. Der Kollege Reporter nickt zu allem bestätigend, als Tonspur hat er sich was in Moll rausgesucht. Ach herrlich, diese Brandenburger! So schön doof.

Kann man so machen. Es lebt sich gleich viel ungenierter, wenn man stets Leute zur Hand hat, über die man sich mokieren kann. Warum aber der Kollege im weiteren Verlauf des Beitrags so lustig mit dem rechtsdrehenden Antragsteller geplaudert hat, will sich mir nicht erschließen. Was ist die Botschaft: Populisten sind gar nicht so übel? Oder: Mir doch egal, was die in Brandenburg so treiben – fühlt sich eh wie Ausland an? Man wüsste es gern. Doch der Reporter ist bereits abgereist Richtung Berlin, um dort an seinem nächsten superironischen Beitrag über dumme Provinzler zu schrauben.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.