Medaille für Roland Koch: Kritik an Ehrung für „Raubauz“
Der ehemalige hessische Ministerpräsident Roland Koch soll die höchste Auszeichnung des Landes erhalten. Das stößt vielen sauer auf.
Die Auszeichnung erinnert an den von den Nazis ermordeten Gewerkschafter und ehemaligen hessischen Innenminister. „Völlig unakzeptabel“, nennt der DGB-Landesverband Bouffiers Plan.
Mit seiner Unterschriftenaktion gegen die Reform des deutschen Staatsbürgerschaftsrechts habe Koch ausländerfeindliches Gedankengut bedient, so der DGB. Den Gedanken der Einheit der Arbeitsbedingungen habe Koch mit dem Austritt des Landes Hessen aus der Tarifgemeinschaft der Länder „sprichwörtlich mit Füßen getreten“.
Mit einer Unterschriftenaktion gegen den Doppelpass hatte Koch 1999 die hessische Landtagswahl gewonnen. „Wo kann ich gegen die Ausländer unterschreiben“ fragten damals seine Fans. Mit der Parole, „Ypsilanti, Al-Wazir und die Kommunisten stoppen“ hatte Koch mit ausländerfeindlichem Unterton gegen die damalige SPD-Vorsitzende Andrea Ypsilanti und ihren grünen Wunschpartner Tarek Al-Wazir mobil gemacht.
Unangemessene Medaillenvergabe
SPD-Landeschef Thorsten Schäfer-Gümbel findet Bouffiers Entscheidung ebenfalls „unangemessen“. Der CDU-Mann stehe gerade nicht für gesellschaftliche Integration und Zusammenhalt. Die Linkspartei wirft Koch gar Rassismus vor.
Selbst Bouffiers Koalitionspartner, die Grünen, gehen vorsichtig auf Distanz. „Uns Grünen wäre ein Preisträger Roland Koch nicht eingefallen“, so die Landesvorsitzende, Daniela Wagner. Die Grüne Jugend postete, Kochs Kampagne gegen den Doppelpass sei „ein extremes Negativbeispiel für Wahlkampf“ gewesen. Es verbiete sich, die Leuschner-Medaille „für parteipolitische Symbolik zu missbrauchen“, so der Nachwuchs von Bouffiers Koalitionspartner.
Daniela Wagner, Grünen-Chefin
Koch selbst schweigt. Auf seiner Homepage präsentiert er sich als Berater: „Den Beruf des selbständigen Rechtsanwaltes übe ich – mit durch andere Tätigkeiten bedingten Unterbrechungen – seit der Gründung meiner ersten Kanzlei im Jahr 1985 aus“ – die politische Karriere als „Unterbrechung“. Der Politiker Koch, der nach eigenen Worten gerne den „Raubauz“ gab, hilft nun als Moderator „Auseinandersetzungen zu vermeiden und vernünftige Kompromisse zu schmieden“.
Koch sitzt dem Aufsichtsrat des europäischen Ablegers der schweizerischen Großbank UBS vor, die Bank, bei der die hessische CDU in den 80er Jahren ihr Schwarzgeld deponiert hatte.
Bouffier lässt ausrichten, es sei üblich, ehemalige Ministerpräsidenten mit der Medaille auszuzeichnen. Kochs Vorgänger Hans Eichel, SPD, steht allerdings nicht auf der Liste. Und Bouffiers Stellvertreter, der grüne Wirtschaftsminister, Tarek Al-Wazir, nimmt nicht am Festakt teil. Er ließ ausrichten, er sei an diesem Tag auf Auslandsreise.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!