#MeToo-Prozess in New York: Neue Runde gegen Harvey Weinstein
Am Dienstag beginnt die Neuauflage des New Yorker Prozesses gegen Harvey Weinstein: Drei Frauen werfen ihm Vergewaltigung und sexuelle Übergriffe vor.

Der ehemalige Filmproduzent Harvey Weinstein steht wieder einmal vor Gericht: Am Dienstag hat in New York die Neuauflage des Prozesses gegen den 73-Jährigen begonnen. 2020 war er hier wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung zu 23 Jahren Haft verurteilt worden – ein historisches Urteil für die #MeToo-Bewegung, die durch die Frauen, die Weinstein öffentlich sexuelle Übergriffe vorwarfen, überhaupt erst ins Rollen kam.
Doch vor knapp einem Jahr wurde das Urteil wegen eines Verfahrensfehlers kassiert. Weinsteins Verteidigung hatte Berufung eingelegt. Die Richter_innen des Berufungsgerichts gaben ihr im April letzten Jahres statt, denn das Urteil sei unrechtmäßig zustande gekommen: Im Verfahren in New York waren Zeuginnen über ihre Missbrauchserfahrungen mit Weinstein befragt worden, obwohl sie eigentlich nicht Teil der Anklage waren. Ihre Aussagen sollten lediglich dazu dienen, Muster in Weinsteins Verhalten zu etablieren. Angeklagte dürfen jedoch nur aufgrund der Taten beurteilt werden, die ihnen im Prozess vorgeworfen werden.
Obwohl das New Yorker Urteil von 2020 aufgehoben wurde, kam Weinstein danach nicht auf freien Fuß: In Kalifornien wurde er 2022 in drei Anklagepunkten, darunter Vergewaltigung, schuldig gesprochen und zu 16 Jahren Haft verurteilt. Auch dieses Urteil wollen seine Anwält_innen anfechten.
In der Neuauflage des New Yorker Verfahrens sind die Eröffnungsplädoyers für den 22. April angesetzt. Danach wird der Prozess voraussichtlich bis zu fünf Wochen dauern. Im Mittelpunkt stehen wie damals die Anschuldigungen zweier Frauen: Die Produktionsassistentin Mimi Haleyi beschuldigt Weinstein weiterhin, 2006 gewaltsamen Oralsex an ihr vorgenommen zu haben. Die Schauspielerin Jessica Mann wirft ihm vor, sie 2013 vergewaltigt zu haben.
Weinsteins Verteidigung plädierte im Prozess von 2020 auf „nicht schuldig“ und beharrte darauf, dass alle sexuellen Handlungen mit den Anklägerinnen einvernehmlich gewesen seien – eine Argumentation, die sie wahrscheinlich auch im neuen Verfahren aufgreifen wird. Einen gravierenden Unterschied wird es im neuen Prozess jedoch geben: Es gibt eine neue zusätzliche Anklägerin. Sie wirft Weinstein vor, er habe sie 2006 in einem Hotelzimmer in Manhattan zum Oralsex gezwungen.
Zeuginnen dürfen von „Gewalt“ sprechen
Das New Yorker Gericht verurteilte Weinstein 2020 zwar zu 23 Jahren Haft, doch es sprach ihn in des schwersten Vorwurfs der Anklage frei: dem „predatory sexual assault“ – wörtlich etwa der raubtierhaften oder räuberischen sexuellen Übergriff. Wäre Weinstein dessen schuldig gesprochen worden, hätte er eine lebenslange Haftstrafe bekommen können. Dieser Freispruch bedeutet, dass der Anklagepunkt im Wiederaufnahmeverfahren nicht neu verhandelt werden darf.
Die Verwendung des Wortes „Gewalt“ in den Zeugenaussagen hatte in den Wochen vor dem Prozess für Diskussionen gesorgt. Weinstein wurde im ersten Prozess „nur“ wegen Vergewaltigung dritten Grades verurteilt, also sexuelle Handlungen ohne Zustimmung, aber nicht mit Gewalt. Deshalb beantragte seine Verteidigung, der Zeugin Jessica Mann zu verbieten, das Wort „Gewalt“ zu nutzen, wenn sie den Geschworenen schildert, was sie Weinstein vorwirft.
Richter Curtis Faber gab der Verteidigung zunächst Recht, hob seine Entscheidung aber Anfang April wieder auf. So darf nun von „Gewalt“ gesprochen werden. Die Verteidigung beantragte außerdem, das Wort „Überlebende“ bei der Beschreibung der Klägerinnen zu streichen. Richter Faber gab diesem Antrag statt. Sie werden fortan als „klagende Zeuginnen“ bezeichnet.
Weinstein verklagt auch seinen Bruder
An juristischen Ärger dürfte sich Weinstein inzwischen gewöhnt haben. Im Februar reichte er Klage gegen seinen jüngeren Bruder Bob Weinstein ein. Harvey wirft ihm und weiteren ehemaligen Geschäftspartnern vor, ihn 2016 im Rahmen der gemeinsamen Filmproduktionsfirma The Weinstein Company dazu gebracht zu haben, für einen Kredit in Höhe von 45 Millionen Dollar zu bürgen. Der Bruder soll das Geld für Bonuszahlungen und andere illegale Zwecke abgezweigt haben.
Auch die Stadt New York verklagte er im vergangenen Jahr, wegen mangelhafter medizinischer Versorgung, die er im Rikers Island Gefängnis erhalten habe. Weinstein leide an Diabetes, Bluthochdruck, Herzproblemen und einer Leukämieerkrankung. Immer wieder wurde er in Krankenhäuser verlegt. Vor Gericht erschien er in der Vergangenheit im Rollstuhl.
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