Maul- und Klauenseuche in Brandenburg: Das Bangen der Schäfereien
Die Gefahr einer Ausbreitung der Maul- und Klauenseuche treibt auch Brandenburgs Schäfer um. Die Angst ist groß, dass das Virus ihre Herden trifft.
Als Vorsitzender des Schafzuchtverbands Berlin-Brandenburg übernimmt Scholz die vielen Presseanfragen, die in diesen Tagen eintrudeln. Anders als Kuczniks Herde stehen Scholz’ Tiere ein gutes Stück weg von Hönow im Landkreis Märkisch-Oderland.
In der brandenburgischen Gemeinde direkt hinter der Berliner Stadtgrenze wurde am vergangenen Freitag die hochansteckende Tierkrankheit Maul- und Klauenseuche festgestellt. Die Viruserkrankung befällt Paarhufer wie Rinder, Schafe, Ziegen und Schweine, auch Zoo- und Wildtiere können sich infizieren. Erkrankt ein Tier daran, kommt es zu einer Infektion im Maul und an den Hufen, es hat Fieber, wird lahm und kann daran sterben.
Auf Anordnung des zuständigen Veterinäramts wurden in einem Radius von einem Kilometer um den betroffenen Hof sämtliche Paarhufer vorsorglich getötet. Selbst weiter entfernte Höfe, die mit dem Hönower Büffelbetrieb in engem Kontakt standen, waren betroffen, in Schöneiche etwa wurde eine Herde mit 55 Schafen und Ziegen gekeult.
Hochresistentes Virus
Das Virus ist nicht nur hochansteckend, sondern auch hochresistent. Es überlebt auf Heu und Stroh ebenso wie auf der Kleidung und Haut des Menschen und kann auch über andere Haus- und Wildtiere übertragen werden.
Tierhalter sind gut beraten, sich und alles um sich herum regelmäßig zu desinfizieren und den Kontakt nach außen einzuschränken. Besonders gilt das in der vom Ministerium eingerichteten Überwachungszone, die sich in einem Radius von zehn Kilometern um den Hof in Hönow erstreckt.
Tiertötung In Brandenburg gibt es einen weiteren Verdachtsfall der Maul- und Klauenseuche (MKS). Das bestätigte der Sprecher des Landkreises Barnim. Die Tiere seien bereits getötet worden. Angaben zum Standort des betroffenen Tierbestandes und zu den Tieren machte er nicht. Zunächst hatte die Märkische Oderzeitung berichtet.
Transportverbot Vergangene Woche kam es in Märkisch-Oderland erstmals seit mehr als 35 Jahren in Deutschland zu einem Ausbruch der MKS. Seither gab es keine weiteren bestätigten Fälle. Das Bundesland hat ein Tiertransportverbot erlassen und Sperrzonen rund um den Fundort eingerichtet. (dpa)
Hier liegt auch die Schäferei von Knut Kucznik. Das Veterinäramt hat bei seinen Tieren Blutproben genommen – sie waren alle negativ. Ebenso wie alle anderen Proben, die bisher getestet wurden. In einem Radius von einem Kilometer um den Ausbruchsbestand gebe es keine weitere Infektion, teilte das Landschaftsministerium am Dienstag mit.
Es ist trotzdem kein Grund zum Aufatmen. Da die Untersuchungsergebnisse nicht ausreichten, hat das Ministerium die Verordnung am Mittwoch noch einmal um 48 Stunden verlängert. Für alle brandenburgischen Tierbetriebe besteht damit weiterhin ein Verbringungsverbot, Tiere dürfen also nicht auf andere Flächen gebracht werden.
Bei der Schafhaltung ist das Verbringen gleichwohl alltägliche Praxis, weil die Tiere neues Futter brauchen, das gerade im Winter auf den Wiesen besonders rar ist. Ausgetretene, feucht matschige Flächen führen zudem leicht zu einer Infektion der Schafsklauen.
Ob die Verordnung am Freitag aufgehoben oder nochmals verlängert wird, davon hängt für die Schäfereien und ihre rund 72.500 Tieren also einiges ab. Zumal in traditionell arbeitenden Betrieben nun die Lammzeit begonnen hat. Auch auf Kuczniks Hof seien die ersten Lämmer geboren, berichtet Scholz. Die Lammzeit ist die stressigste Saison einer Schäferei – ein Arbeitstag hat bis zu 20 Stunden –, Jungtiere sind dabei besonders anfällig für Krankheiten.
„Wir sind jetzt schon schwer belastet“
Zu diesen Schwierigkeiten kommen die bereits von Großbritannien und Südkorea ausgesprochenen Importverbote, die auch für deutsches Schaffleisch gelten. „Da wir nicht so abhängig vom Exportgeschäft sind wie die Rinder- und Schweinezucht, können wir das eine Weile verschmerzen“, sagt Jonas Scholz. Längere Zeit könnten die deutschen Schäfereien das aber nicht durchstehen: „Wir sind jetzt schon schwer belastet.“
Ein Grund dafür sei eine weitere Seuche: Durch die Blauzungenkrankheit habe es im vergangenen Jahr vor allem im Westen Deutschlands einen starken Verlust an Tieren gegeben, aber auch in Brandenburg seien etliche Tiere gestorben.
Umso nervöser verfolgen die Schäfer die aktuellen Entwicklungen. Das Schlimmste sei die Angst, selbst betroffen zu werden, sagt Scholz. „Das belastet uns alle, auch die Veterinäre.“ Zwar liegt die letzte MKS-Epidemie fast 40 Jahre zurück.
Die Schäfer hätten aber noch in Erinnerung, wie es ihren britischen Kollegen in den Nullerjahren ergangen ist. Damals wurden Millionen Tiere wegen eines MKS-Ausbruchs vorsorglich getötet. „Das ist auch eine Tragödie für die Menschen“, sagt Scholz. „Das hat eine große Welle an Suiziden nach sich gezogen.“
Warten auf den Impfstoff
Was in der Öffentlichkeit kaum bekannt ist: Bei den getöteten Tieren handelt es sich oft um spezielle Rassen, die über Generationen hinweg gezüchtet wurden, erklärt Scholz. Knut Kuczink etwa betreibt seine Zucht seit fast 30 Jahren, schon die ersten Tiere hatten eine Zuchtgeschichte.
Mit dem Tod einer Herde gehe das Werk jahrzehntelanger Arbeit zunichte, so Scholz. „Hier in Brandenburg haben wir zudem mehrere Rassen, die vom Aussterben bedroht sind, etwa das Merino-Fleischschaf.“ Eine Tötung dieser kleinen Bestände bedeute „die Vernichtung wichtiger tiergenetischer Ressourcen“ und sei für die Züchter „eine Katastrophe“.
Scholz und seine Kollegen wünschen sich nur eines: dass der MKS-Ausbruch in Brandenburg bald Geschichte ist. Hoffnung macht der Impfstoff, den das Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit eigens für den aktuellen Typ des MKS-Virus herstellt. Schon in den kommenden Tagen soll er verfügbar ein. „Sobald es möglich ist, werden wir impfen“, sagt Jonas Scholz. Bis dahin heißt es: weiter Zittern und Bangen.
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