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Matteo Salvinis Erfolg in ItalienPostfaschistische Flirts

Kommentar von Fabio Ghelli

Italiens Innenminister Salvini ist nur deshalb so erfolgreich, weil seine rassistische Politik auf sehr fruchtbaren Boden fällt. Berlusconi sei Dank.

Seine rechten Ideen baut Salvini nicht auf Sand, sie finden Nährböden in Italien Foto: dpa

I talien bereitet sich auf Neuwahlen vor – und auf einen möglichen Rechtsruck: Die ehemals separatistische Lega-Partei von Matteo Salvini könnte laut Umfragen mehr als 35 Prozent der Wählerstimmen ergattern. Mithilfe der rechtsnationalen Brüder Italiens (Fratelli d'Italia) von Giorgia Meloni würde der amtierende Innenminister eine Mehrheit für eine Regierung unter seiner Führung zusammenstellen können. Das wäre die erste rein rechtsnationale Regierung in Westeuropa seit dem Ende der Diktatur von Francisco Franco in Spanien 1975.

„Dieses Land benötigt Regeln, Ordnung und Disziplin“, sagte Salvini während einer Veranstaltung in Pescara am Donnerstagabend. Deshalb verlangt er „die ganze Macht“. Wie kam es dazu? Eine gängige Erklärung lautet: Aufgrund der fortdauernden Wirtschafts- und Beschäftigungskrise sind viele Italiener verzweifelt und verbittert. Salvini nutzte diese Stimmung, um ein neues Nationalgefühl zu beschwören – ein Nationalgefühl, das auf Frust und Ressentiment fußt, vor allem gegen die Europäische Union und die Zuwanderer.

Es stimmt zwar, dass, seitdem die Eurokrise Italien erwischt hat, antieuropäische Einstellungen im Land deutlich zugenommen haben. Es stimmt auch, dass Salvini – wie viele andere Rechtspopulisten in Europa – den Anstieg der Flüchtlingszahlen geschickt nutzte, um Sorgen und Ängste zu schüren. Mit Erfolg.

Doch es wäre falsch, den autoritären Rechtsruck als plötzliche Wende in der italienischen Politik anzusehen. Vielmehr ist es eine dunklere, rauere Neufassung eines Films, den wir bereits gesehen haben – ein „gritty reboot“, dessen Hauptdarsteller schon lange eine Rolle in der italienischen Politik spielen.

Als Matteo Salvini vor etwa 30 Jahren seine Karriere in der Partei begann, war die Lega Nord noch die Partei der ehrlichen Arbeiter des Nordens, die den Korruptionssumpf im „diebischen Rom“ anprangerte. Die Lega Nord stieg zur Regierungskraft auf und der junge Mailänder wurde zum Europaabgeordneten. Doch gleichzeitig versank die Partei allmählich im selben Sumpf, den sie ursprünglich bekämpft hatte: Schmiergeld, Korruption, Kontakte zur organisierten Kriminalität – bis zu den Gerichtsverfahren gegen den ehemaligen Parteichef Umberto Bossi und seine Familie, die 2013 den Weg zu Salvinis Machtübernahme ebneten.

Die Lega versank allmählich im selben Sumpf, den sie ursprünglich bekämpft hatte: Schmiergeld, Korruption, Kontakte zur organisierten Kriminalität

Der Innenminister ist ein Produkt dieses politischen Milieus – eines Milieus, in dem rechtsradikale und rassistische Tendenzen nichts Neues sind. Ende der 90er Jahre sagte etwa die damalige Vorsitzende des italienischen Abgeordnetenhauses, Irene Pivetti, die aus den Reihen der Lega kam, man solle albanische Migranten am besten ins Meer werfen. Ihr Parteifreund Mario Borghezio organisierte Gruppen, um die Züge, in denen Migranten fuhren, zu „desinfizieren“. Nichts im Vergleich zum Bürgermeister von Treviso, Giancarlo Gentilini, dessen bekanntester Spruch lautet: „Man sollte Zuwanderer als Hasen verkleiden und sie mit dem Gewehr jagen!“

Obwohl er weit verbreitet war, blieb Rassismus gegenüber Zuwanderern jedoch für lange Zeit zweitrangig für die damalige „Partei des Nordens“, denn der Hauptfeind waren damals Italiener aus dem Süden – „terroni“, Erdfresser, wie sie damals auch Salvini nannte. Das änderte sich vor etwa fünf Jahren, als der neue Chef der Lega einen nationalistischen Kurs einschlug – nach dem Muster anderer erfolgreicher Rechtspopulisten wie Marine Le Pen und Heinz-Christian Strache. Das Feindbild „terroni“ wurde durch das Feindbild „clandestini“ (illegale Zuwanderer) und der Sezessions-Mythos durch den Mythos der angeblich von der EU geplanten „Umvolkung“ ersetzt.

Doch Salvinis Worte hätten keine Folgen gehabt, wären sie nicht auf einen sehr fruchtbaren Boden gefallen. Laut einer Studie des US-amerikanischen Forschungsinstitut Pew Center ist Italien das westeuropäische Land, in dem nationalistische und menschenfeindliche Einstellungen am meisten verbreitet sind: Etwa 30 Prozent der Italiener haben eine „sehr negative“ Einstellung gegenüber Muslimen. Fast 90 Prozent lehnen Roma und Sinti ab.

Kein Wunder also, dass der harte Kurs des Innenministers gegen Geflüchtete und Minderheiten ihm große Popularität gebracht hat. Das alles hätte ihm allerdings wenig genutzt, hätte er nicht gleichzeitig eine gut durchdachte Image-Strategie angewandt. Diese verdankt er einem anderen alten Bekannten der italienischen Politik: seinem ehemaligen Weggefährten und „Original Gangster“ des europäischen Populismus, Silvio Berlusconi.

Nirgendwo in Westeuropasind menschenfeindliche und nationalistische Einstellungen so verbreitet wie in Italien

Wie Berlusconi flirtet Salvini mit postfaschistischen Bewegungen – und zitiert gerne Mussolini. Wie Berlusconi gibt er den starken Mann und inszeniert sich gleichzeitig als Opfer (der Europäischen Union, der Justiz oder der liberalen Medien). Wie Berlusconi hat Salvini die Partei zu einer „One-Man-Show“ und die politische Debatte zur Frage „mit mir oder gegen mich“ reduziert. Und während Berlusconi meisterhaft die Macht des Fernsehens zu nutzen wusste, ist Salvini ein Trendsetter der politischen Kommunikation durch soziale Medien.

Salvini war bis jetzt noch nicht Regierungschef – und trotzdem ist sein Einfluss auf die Politik unumstritten. Ob sein Traum der absoluten Macht in Erfüllung gehen wird, ist momentan unklar. Doch seine Sprache, seine unverblümte Rhetorik, sein menschenverachtender Sarkasmus finden sich schon jetzt in jedem Gespräch über Politik, in jedem Forum und jeder Kommentarspalte.

Fabio Ghelli

Jahrgang 1978, ist ein italienischer Journalist, der seit zehn Jahren in Berlin lebt. Er ist Redakteur beim Mediendienst Integration, wo er unter anderem über Asylpolitik und Rechtspopulismus schreibt.

Das ist auch ein Film, den wir schon gesehen haben: Ein charismatischer Anführer nutzt existierende Vorurteile, um Feindbilder zu erschaffen. Dabei popularisiert er eine menschenverachtende Sprache, die von der Gesellschaft übernommen wird. Sobald er im Amt ist, geht er gegen diesen vermeintlichen Feind hemmungslos vor und wird dafür als starker Tatmensch gefeiert.

Ich weiß nicht, ob ich diesen Film zu Ende sehen mag.

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13 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • "Kein Wunder also, dass der harte Kurs des Innenministers gegen Geflüchtete und Minderheiten ihm große Popularität gebracht hat."

    Was ist die Alternative? Deutsche ngos bei der angekündigten Ausschiffung von 600.000 in Libyen festsitzenden Migranten nach Italien unterstützen?

    Was sollen die jungen afrikanischen Männer dann in Italien machen? Wird es in Afrika durch den Wegzug von 600.000 Menschen besser? Das ist der Bevölkerungszuwachs von 6 Tagen.

    Sinnvoll wäre, auf europäischem Territorium ein von der Uno verwaltetes Ankerzentrum einzurichten, in das gerettete Flüchtlinge ohne Weiterreisemöglichkeit gebracht werden können.

  • Salvini ist das Produkt der EU Hardliner und der schwarzen Nullen, die über viele Jahre und bis heute nicht willens waren und sind, die Situation in Italien hinsichtlich Arbeitslosigkeit und/oder Flüchtlingspolitik überhaupt zu diskutieren. Der Versuch insbesondere in Deutschland, Faschismus und Rechtspopulismus als Entwicklung aus sich selbst zu deuten, quasi ursachenlos, ist gescheitert.



    Immer mehr Länder in Europa verhalten sich migrationsfeindlich, einige insbesondere islamfeindlich bzw. äußerst ablehnend gegenüber einer Religion, die als totalitär verstanden wird.



    Die deutsche Außen- bzw. EU-Politik hat sich in zunehmendem Maße als Maßregelpolitik entwickelt, unfreundlich, unmäßig, kompromisslos. Ich denke an Griechenland. Aber auch an die extrem unfreundliche Reaktion, als die italienische Regierung die lahme Binnennachfrage mit Neuverschuldungen über bessere Sozialleistungen ankurbeln wollte. Auch der Brexit ist ohne deutsche Hegemonialallüren kaum zu erklären.

    Europa orientiert sich immer mehr rechtspopulistisch. Und jetzt kommt eine deutsche Kommissionspräsidentin, die ausgerechnet dieses Europa militarisieren will. Werden die Migrationsprobleme oder die Klimakatastrophe demnächst mit Bomben bekämpft? Hier hat man offensichtlich den Schuss nicht gehört.

    • 0G
      06455 (Profil gelöscht)
      @Rolf B.:

      So einen Beitrag hätte man früher in der TAZ gelesen.Da es das nicht mehr gibt, ist Frau auf die Kommentare angewiesen.



      Sind sie ein früheres Redaktionsmitglied?

      • @06455 (Profil gelöscht):

        Danke für die Blumen. Nein, ich bin lediglich aus der Zeit, als die taz eine linke Zeitung war und das Establishment noch weit davon entfernt war, zu beanspruchen, dass am deutschen Wesen die Welt genesen muss.

    • 9G
      94778 (Profil gelöscht)
      @Rolf B.:

      Warum probieren wir nicht eine Alternative?



      Jenseits faschistischer Blut- und-Boden-kacke und - es muss so deutlich in einem Atemzug gesagt werden - neoliberalen Hegemonialbestreben?







      Die gibt's ja.

      • @94778 (Profil gelöscht):

        "Die gibt's ja."

        Ein paar Worte mehr dazu wäre vielleicht hilfreich.

        • 9G
          94778 (Profil gelöscht)
          @Rolf B.:

          Die gibt's ja.Suchen Sie, dann finden Sie....

          Fangen Sie mal bei Thomas Morus an, arbeiten sichh bis Bakunin durch, Kropotkin, Emma Goldmann.



          Horst Stowasser.



          PM, d.i.Hans Widmer



          Die Befreiungdtheolog*innen......

          Lassen Sie sich nix von " Wer Visionen hat sollte zum Arzt" erzählen.



          Die so,"n Zeug quasseln, wollen uns im Flachland halten ,als Konsum '-Sklaven und Law and Order Schafe

    • @Rolf B.:

      "Der Versuch insbesondere in Deutschland, Faschismus und Rechtspopulismus als Entwicklung aus sich selbst zu deuten, quasi ursachenlos, ist gescheitert."

      M.E. völlig richtig gesagt.

  • Naja.. auch, das Italia AM Mittelmeer liegt und durch DUBLIN II gezwungen ist, Immigranten , die übers Meer nach Italien kommen, anzunehmen, trägt zum Rassismus Salvinis bei! Das Salvini jedoch humane Nächstenliebe und die Praxis der U. N. O. Menschenrechte verbieten, etabliert ihn als 'menschlich Inkompetent'. Wobei auch seine Muchorhetorik des Vulgären ins Leere laufen dürfte..

    • 9G
      94778 (Profil gelöscht)
      @vergessene Liebe:

      Glauben Sie , dass s seine Rhetorik ins Leere laufen wird?



      Wie der Autor des Artikel, ein Italiener, anmerkt, seien 30 % der Italiener sehr islamfeindlich.90% würden Sinti und Roma ablehnen.



      Ich wär mir da nicht so sicher

  • Und scheinbar wieder nix aus der Geschichte gelernt. Ihren heißgeliebten Mussolini haben sie damals am Ende mit den Beinen nach oben aufgeknüpft. Und jetzt geht alles wieder von vorne los. Sollte Salvini - was irgendjemand verhindern möge - tatsächlich an die Macht kommen, wird alles so werden wie immer bei den Rechten: Es folgt unheilbares Chaos und schließlich der Zusammenbruch. Und dann gibt's wieder lange Gesichter.

    • @Trigger:

      Nicht bei der Waffenlobby, den Banken und der internationalen Wirtschaft. Also der EU.



      DIE hätten den Faschoruck leicht aufhalten können- wenn sie es gewollt hätten. Statt dessen haben die ihn gross unterstützt. Denn die KOHLE für diese Wahlkämpfe kommt ja nicht vom Wahlvölkchen- DEM wirds nur hinterher in die Schuhe geschoben...

    • 9G
      94778 (Profil gelöscht)
      @Trigger:

      Genau.uswuswusw......



      Kapieren tun wir- als Spezies- nix.



      Nur.Bei Adolf und Konsorten gab's noch keine Atomwaffen....



      Also wenn sie, die Faschos, überall nicht nur im Italien, wie Pilze aus dem Boden schiessen, dann gibt's nach dem "Chaos und dem" Zusammenbruch " keine "langen Gesichter". Weil's dann nämlich niemanden mehr gibt.

      Die paar Nasen, die bisschen weiter und denken, fühlen und handeln. Wer hört denn auf die?



      Linksversiffte Spielverderber.