Mattel-Panne: Giftiges Spielzeug ruiniert Chinas Ruf
Nachdem Mattel 18 Millionen Spielzeuge zurückrufen musste, soll jetzt der Konsumentenschutz verbessert werden. China will mit den USA über Kontrollen reden.
Die jüngsten Rückrufaktionen von Spielzeug aus China und die Vorwürfe gegen die chinesische Regierung veranlassen Peking zum Handeln: Obwohl die Vorwürfe übertrieben seien, will das chinesische Handelsministerium noch in diesem Monat mit der US-Regierung über Produktsicherheit und Qualitätskontrollen sprechen. Eine erste Delegation soll diesen Monat in Washington eintreffen, eine zweite, hochrangigere im September. Geplant sind Gespräche mit den US-Behörden für Gesundheit und Verbraucherschutz.
Am Dienstag hatte der Spielzeughersteller Mattel weltweit rund 18 Millionen Spielzeuge zurückgerufen, darunter auch 1 Million Spielzeuge, die in Deutschland in den Handel gelangt waren. Bei den Artikeln der Serien "Polly Pocket", "Doggie Day Care" und "Barbie" könnten sich kleine Magnete lösen, die von Kindern verschluckt werden könnten. Ein Spielzeugauto der Serie "Cars Sarge" ist mit gesundheitsschädlicher bleihaltiger Farbe angemalt. Bereits Anfang August hatte der weltgrößte Spielzeughersteller eingeräumt, gesundheitsgefährdende Produkte auf den Markt gebracht zu haben, und daraufhin 1,5 Millionen Produkte zurückgerufen. "Die Sicherheit von Kindern hat für uns oberste Priorität, und wir möchten uns bei allen Betroffenen vielmals entschuldigen", sagte Robert A. Eckelt, Vorstandsvorsitzender und Chef von Mattel. Die chinesische Regierung hat zugegeben, schon seit Monaten von dem Problem bei der Herstellung Bescheid gewusst zu haben.
Mattel ist nicht die einzige Firma, die in China produzieren lässt: 70 bis 80 Prozent aller in Deutschland verkauften Spielzeuge werden in China hergestellt. In den letzten Monaten häuften sich die Skandale um gesundheitsschädigende Produkte, regelmäßig fallen Produkte aus China durch die deutschen Qualitätskontrollen: Zuletzt war Zahnpasta gefunden worden, die Diethylenglykol enthielt, eine giftige Chemikalie, die das Nervensystem angreift. In Panama starben im Mai über 100 Menschen an einem Hustensaft, der dieselbe Chemikalie enthielt. Im März verendeten große Zahlen von Hunden und Katzen an chinesischem Tierfutter.
Die Bundesverband der Verbraucherzentralen sieht Handlungsbedarf bei den Behörden. "Die Rückrufaktionen zeigen, dass die Marktüberwachung in der EU nicht funktioniert", sagt der stellvertretende Vorstand Patrick von Braunmühl. Die Marktüberwachung in der EU müsse harmonisiert und intensiviert werden. Das sei bisher nicht der Fall, weil es als Standortvorteil gelte, bei Importen möglichst laxe Kontrollen durchzuführen. Weiter kritisiert von Braunmühl, dass die EU erwägt, das GS-Siegel abzuschaffen. Es wird vom TÜV vergeben, garantiert die Produktsicherheit und stellt nach Ansicht der EU ein Handelshemmnis dar. "Es wäre katastrophal, wenn das unabhängige GS-Siegel durch das CE-Siegel ersetzt wird", sagt von Braunmühl. Letzteres kann jede Firma eigenmächtig auf ihre Produkte drucken.
In der Kritik stehen auch die Bedingungen, unter denen chinesische Produkte hergestellt werden. "China verdankt sein Wirtschaftswunder ganz wesentlich den Wanderarbeitern, doch sie werden in ihren sozialen Menschenrechten massiv diskriminiert", sagt Dirk Pleitner, China-Experte von amnesty international Deutschland. Mit einem selbstverpflichtenden Kodex versucht der Weltdachverband der Spielzeugwarenindustrie "ICTI" für humane Arbeitsbedingungen zu sorgen. Wie weit die Einhaltung dieser Standards wie faire Löhne, vernünftige Arbeitszeiten, Verbot von Zwangs- und Kinderarbeit, eingehalten werden, liegt aber in der Hand jedes einzelnen Unternehmens.
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