„Matrix Resurrections“ im Kino: Rückkehr der roten Pillen
Lana Wachowski setzt mit dem Science-Fiction-Film „Matrix Resurrections“ die Erfolgsreihe mit Keanu Reeves fort. Alles ist diesmal größer und lauter.
Wenige Filme der letzten Jahrzehnte haben einen derartigen popkulturellen Fußabdruck hinterlassen wie „The Matrix“, der 1999 praktisch aus dem Nichts kam. Die damaligen Wachowski-Brüder (inzwischen sind sie Schwestern) hatten erst einen Film gedreht, den Erotikthriller „Bound“, der ihnen das Vertrauen des Hollywoodsystems und ein gewisses Budget einbrachte. Was sie aus den Möglichkeiten machten, war ein atemberaubendes Science-Fiction-Action-Abenteuer, das so viel philosophische Tiefe hatte, dass es zum Thema von unzähligen Proseminaren und den Texten Slavoj Žižeks wurde.
Zwei umstrittene Fortsetzungen später war es mit dem Hype schon wieder vorbei, als Duo drehten die Wachowskis noch den stilistisch spektakulären „Speed Racer“, zusammen mit Tom Tykwer den esoterisch angehauchten „Cloud Atlas“, der andeutete, was kommen sollte. Mit der Netflix-Serie „Sense8“ bestätigten die Wachowskis ihren Ruf als Vorreiter des diversen Kinos, wie sie es schon, lange bevor es in Hollywood Trend wurde, praktizierten, doch ein Erfolg war die Serie nur in kleinen Kreisen.
Angesichts dieses Wegs des stetig geringeren Erfolgs verwundert es nicht, dass mit Lana Wachowski ein Teil des Duos nun zu den Anfängen zurückkehrt, was passenderweise auch das Konzept von „The Matrix: Resurrections“ ist. Denn am Ende des dritten Teils fand die Trilogie einen konsequenten Abschluss, in dem sich der von Keanu Reeves gespielte Neo, wie sein als Anagram zu lesender Name als The One erwies, sich für die Menschheit opferte und für Frieden zwischen den Menschen und den Maschinen sorgte.
Wie das moderne Comic-Kino aus pragmatischen (und die Bibel aus spirituellen) Gründen weiß, ist der Tod für den Messias nur ein vorübergehender Zustand. Und so ist Neo, im Zivilleben Thomas Anderson, zu Beginn des neuen Films quicklebendig. Als Programmierer fristet er ein langweiliges Dasein, hat ein sehr erfolgreiches Spiel namens „Matrix“ geschrieben, aber immer wieder psychotische Attacken. Sein Psychiater (Neil Patrick Harris) versorgt ihn mit einem nie endenden Strom blauer (!) Pillen, doch wie wir wissen, weist allein die rote den Weg zur Wahrheit.
„Matrix Resurrections“. Regie: Lana Wachowski. Mit Keanu Reeves, Carrie-Anne Moss u. a. USA 2021, 148 Min.
Diesen Weg hat Neo schon einmal bestritten, hat sich dem Propheten Morpheus (jetzt gespielt von Yahya Abdul-Mateen II) anvertraut, hat in Trinity (immer noch Carrie-Anne Moss) eine Frau kennengelernt, deren Liebe selbst den Tod überwindet, hat Kung Fu gelernt und Kugeln gestoppt. All das tut er jetzt wieder, was einerseits als hübsch selbstreflexiver Moment gelten kann, andererseits genau das bedient, was Fortsetzungen eben so machen: das Gleiche noch einmal erzählen, in leichter Variation, größer, lauter, aber in jedem Fall weniger originell.
Der Fan-Faktor ist hoch
Offensiv zitiert Lana Wachowski die ersten „Matrix“-Filme, will deutlich zeigen, wie bewusst ihr die Tatsache ist, das die gleiche Geschichte erneut erzählt wird. Was es nur bedingt besser macht, auch wenn sich gerade Kenner der „Matrix“-Filme über viele teils offensichtliche, teils versteckte Bezüge zu den früheren Filmen freuen können.
Der Wiedererkennungsfaktor, der Fan-Faktor ist ähnlich hoch wie beim jüngsten Spider-Man-Film, dort ein wenig plakativer, hier ein wenig versteckter.
Vielleicht ist es im zeitgenössischen Hollywood-Blockbusterkino kaum noch möglich, wirkliche Individualität zu entwickeln, vielleicht muss man zumindest für den Moment akzeptieren, dass ein großer, teurer Film wie „The Matrix: Resurrections“, der mindestens 150 Millionen Dollar kostet, nicht mehr sein kann als das, was er ist: ein extrem professionell gemachtes Produkt, das auf bisweilen originelle Weise an eine Zeit erinnert, in der ambitioniertes Blockbusterkino noch möglich war.
Auf seine Weise ist „The Matrix: Resurrections“ so gut, wie es ein Film dieser Art gestattet. Schade nur, dass das weit von einem inhaltlich wie stilistisch revolutionären Film wie „The Matrix“ entfernt ist.
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