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Massenproteste in SerbienPräsident Vucic organisiert eigene Kundgebung

In Serbien gehen zehntausende gegen Präsident Vucic auf die Straße. Der organisiert nun einfach eine Gegenkundgebung seiner Anhänger.

Proteste für statt gegen Vucic: Belgrad am Samstag Foto: Darko Vojinovic/ap

Belgrad (afp |) Nach wochenlangen Massenprotesten gegen seine Regierung hat der serbische Präsident Aleksandar Vucic eine eigene Großkundgebung organisiert. Vor zehntausenden Anhängern gab er am Samstag in Belgrad die Gründung einer neuen politischen Bewegung bekannt. Auch der bosnische Serbenführer Milorad Dodik, gegen den ein internationaler Haftbefehl vorliegt, bekundete auf einer Bühne seine Unterstützung für Vucic. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban schickte eine Videobotschaft.

An der Kundgebung nahmen mindestens 55.000 Menschen teil, wie das Archiv für öffentlichen Versammlungen im Onlinedienst X mitteilte. Die Angaben der unabhängigen Gruppe bezogen sich auf die Zahl der Teilnehmer zu Beginn der Kundgebung um 19.00 Uhr.

An einem von Studierenden angeführten Massenprotest gegen die Regierung am 15. März in Belgrad hatten derselben Quelle zufolge 275.000 bis 325.000 Menschen teilgenommen.

Die Protestwelle in Serbien war durch den Einsturz eines Bahnhofsvordachs in der Stadt Novi Sad am 1. November entfacht worden, bei dem 16 Menschen ums Leben gekommen waren. Seitdem gingen im ganzen Land hunderttausende Menschen gegen Korruption und Misswirtschaft auf die Straße. Die serbische Regierung steht wegen der Proteste stark unter Druck. Vucic bezeichnete die Proteste immer wieder als vom Ausland gesteuert.

Nicht willkommen: „Arrogante Politiker“

In seiner Rede am Samstagabend bezeichnete Vucic die Protestbewegung als „einen Angriff aus dem Ausland, weil bestimmte ausländische Mächte ein freies, unabhängiges und souveränes Serbien nicht ertragen können“.

Mit seiner neuen Bewegung wolle er dem Land nun „neue Energie“ verleihen, sagte Vucic. „Jeder Arbeiter, jeder Bauer ist willkommen. Jeder Mensch, der seinen Lebensunterhalt ehrlich verdient und für seine Kinder und sein Land kämpft, ist willkommen“, rief er der Menge zu. Nicht willkommen seien dagegen „arrogante Politiker“.

Viele Teilnehmer der Kundgebung schwenkten die serbische Flagge. „Ich habe auf diesen Tag gewartet. (…) Ich bin hier, um den Sieg der Liebe und der Freundschaft zu feiern“, sagte die Teilnehmerin Jadranka Milic der Nachrichtenagentur AFP. „Diese neue Bewegung wird alle Menschen im Land vereinen, egal ob Parteimitglied, Landwirt oder einfacher Bürger“, sagte Isidora Filipovic, Mitglied der regierenden Serbischen Fortschrittspartei (SNS). An mehreren Ständen konnten die Menschen sich der neuen Bewegung anschließen oder einen Namen für sie vorschlagen.

Dodik sagte bei seinem Auftritt in Belgrad, Vucic sei „der einzige Mann sei, der ein starkes und mächtiges Serbien zusammenhalten kann, sowohl in der Innen- als auch in der Außenpolitik und besonders in diesen sehr instabilen Zeiten“.

In Novi Pazar demonstrieren Tausende gegen die Regierung

Die bosnische Justiz hatte Ende März einen Haftbefehl gegen Dodik erlassen, nachdem dieser einseitig die Zuständigkeit von Justiz und Polizei des bosnischen Zentralstaates für die Republika Srpska für beendet erklärt hatte. Orban sagte in seiner Videobotschaft, „ausländische Mächte“ wollten „den Serben vorschreiben, wie sie zu leben haben“.

In Novi Pazar, etwa 300 Kilometer südlich von Belgrad, demonstrierten am Samstag jedoch wieder tausende Menschen gegen die Regierung. In der vergangenen Woche brachen zudem einige Dutzend Studenten mit dem Fahrrad nach Straßburg auf. Am Freitagabend wurden sie mit großem Jubel bei einem Zwischenstopp in München empfangen.

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2 Kommentare

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  • Auf Vucic's Veranstaltungen sind in der Mehrzahl "Sendvicari" anwesend. Anders kann er der breiten Bewegung nichts entgegen setzen...

  • Immer noch der "alte Wein" von neuen Flaschen, um autaristische Macht zu rechtfertigen, muss mal wieder das Ausland herhalten. Anstatt sich demokratisch der Wahl der Bürger des Landes zu stellen und dem besseren Lebens- uns Staatenkonzept eine Chance zu geben, gieren wenige machtbessene nach ihren Pöstchen. Doch mittelfristig werden sie alle verlieren, denn die Aufklärung und das streben nach Freiheit wird am Ende gewinnen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch die letzten östlichen Länder ihre Despoten verlieren werden, sobald sich die dortigen Menschen nicht mehr bevormunden lassen. Daran wird auch die scheinbare Macht der derzeitigen Internetoligarchen nichts ändern. Das beste Beispiel hierfür bieten die Entwicklungen in den USA. Selbst ein Musk, Bezos und wie sie alle heißen müssen feststellen, dass wir alle von einander abhängig sind und nur noch innerhalb kleiner Nieschen von einer freiheitlichen Entwicklung abweichen und von Ausbeutung, Unterdrückung und Zerstörung reich werden können.

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