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Massenproteste in KeniaTränengas und Geschosse gegen Vuvuzelas und Trillerpfeifen

Ein Jahr nach den blutig niedergeschlagenen Protesten in Kenia geht die Polizei erneut gewaltsam gegen Protestmärsche vor. Am Abend eskaliert die Gewalt.

Straße in Nairobi, Mittwoch mittag Foto: John Muchucha / REUTERS

Kampala taz | Kenias Polizei ist vorbereitet. Sie hat bereits in der Nacht landesweit Straßensperren errichtet. Das Zen­trum der Hauptstadt Nairobi ist mit Stacheldraht abgeriegelt, Straßen sind gesperrt, Polizeihundertschaften und Wasserwerfer postiert. Um Plünderungen zu vermeiden, haben landesweit viele Läden geschlossen. Nairobis sonst so geschäftiges Stadtzentrum wirkt am Mittwochmorgen wie ausgestorben.

Zum Jahrestag der Massenproteste in Kenia vor genau einem Jahr hat die Protestbewegung Generation Z nämlich landesweit zu Demonstrationen aufgerufen. Bereits am frühen Morgen zieht es Jugendliche in der Küstenstadt Mombasa in die Kirche. Sie gedenken der rund 50 Menschen, die bei den Demonstrationen 2024 von Sicherheitskräften getötet wurden. In anderen Landesteilen werden Kerzen angezündet und Blumen niedergelegt.

Die westlichen Botschaften, darunter auch die deutsche, haben im Vorfeld eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht. Sie rufen alle Seiten dazu auf, auf Gewalt zu verzichten und warnen Kenias Regierung davor, Beamte oder Schlägertrupps in Zivil auf die Straßen zu entsenden. Vergangene Woche hatte die Polizei mutmaßlich Straßengangs mit Schlagstöcken angeheuert, um gegen Protestierende vorzugehen. Die demonstrierten gegen Polizeigewalt, nachdem der Aktivist Albert Omondi Ojwang verhaftet und in der Zelle auf Anweisung des Vizepolizeichefs zu Tode geprügelt worden war.

Der Jahrestag wird von einer Kampagne begleitet. Unter #Justice4OurMashujaa werden Namen und Fotos der getöteten „Helden“ veröffentlicht. Kenias Tageszeitungen veröffentlichen auf ihren Titelseiten Bilder und Namen.

Mit der Nationalflagge gegen die Regierung

Als es um 10 Uhr vormittags losgeht, ziehen die Protestmärsche mit Vuvuzelas und Trillerpfeifen die Hauptstraßen entlang. Viele Menschen tragen Masken und Sonnenbrillen gegen Tränengas, halten Plakate hoch oder schwingen die Nationalflagge.

In Nairobis Innenstadt kommt es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, die Tränengas und pinke Lackfarbe versprüht. Unter den Demonstranten, die eilig weglaufen, ist auch Kenias ehemaliger oberster Richter David Maraga. Der 74-Jährige, mittlerweile pensioniert, zeigte sich bereits 2024 solidarisch mit der Generation Z.

Pünktlich zum Protestbeginn am Mittwoch verkündet er nun auf X seine Präsidentschaftskandidatur für die Wahlen 2027. „Wir erinnern den Staat, dass das Recht auf Protest in der Verfassung garantiert ist“, sagt er. Als Gummigeschosse fliegen, wird er von Jugendlichen in einem Hauseingang in Sicherheit gebracht.

Kurz nach Mittag ordnet Kenias Kommunikationsbehörde sämtliche Medien landesweit an, die Liveübertragung der Proteste einzustellen. Kenias selbstbewusste Medien sind empört, Kenias Menschenrechtskommission spricht von einem „gezielten Versuch, Polizeigewalt zu vertuschen“ und fordert die Medienhäuser auf, die „verfassungswidrige Anweisung“ zu ignorieren.

Am Nachmittag werden aus der Stadt Machakos 60 Kilometer außerhalb von Nairobi Tote und Verletzte gemeldet. Auch in Nairobi soll ein Demonstrant erschossen worden sein.

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