Massenproteste in Griechenland: Treten Sie zurück, Herr Mitsotakis!
Premier Kyriakos Mitsotakis soll Ursachen des schweren Zugunglücks im Tempital von vor zwei Jahren vertuscht haben. Das zeigen Tonaufnahmen.
M aria Karystianou hat ihre 19-jährige Tochter Marthi am 28. Februar 2023 bei dem verheerenden Zugunglück im zentralgriechischen Tempital verloren. Der IC 62 stößt in voller Fahrt frontal mit einem Güterzug zusammen. Die vorderen Waggons des Intercity verschmelzen zu einer unförmigen Masse.
Ein Feuer bricht aus, 57 Menschen sterben einen grausamen Tod. Jetzt verwandelt sich die Ohnmacht der Angehörigen der Opfer in Wut, Zorn und Empörung. Am 26. Januar 2025 versammelten sich Hunderttausende im In- und Ausland, ihr Motto: „Ich habe keinen Sauerstoff zum Atmen“. Diese dramatischen Worte kann man nämlich auf einem jetzt veröffentlichten Tondokument hören – von Marthi bei ihrem verzweifelten Anruf an die Notrufzentrale. Dann stirbt sie in den Flammen.
Damit ist bewiesen, dass die Tempi-Toten nicht schon durch den Frontalcrash, sondern in der Feuersbrunst ums Leben gekommen sind. Die Tonaufnahme löste bei den Griechen einen Sturm der Entrüstung aus. Am Pranger steht die Regierung in Athen, sie würde die Unglücksursache vertuschen. Bloßgestellt ist vor allem Premier Kyriakos Mitsotakis. Denn er hatte bisher gebetsmühlenartig früh erhobene Vorwürfe als „Quatsch“ abgetan, wonach der ominöse Güterzug mutmaßlich illegal hochexplosive Chemikalien transportiert habe, die das Feuer auslösten. Mitsotakis entpuppt sich nun als Lügner.
Der schlimme Verdacht: Das System Mitsotakis wolle den Schmuggel von Chemikalien nicht aufdecken, der in Hellas offenbar in großem Stil betrieben werde. Die Liste der Ungereimtheiten, illegalen Praktiken und Versäumnisse vor und nach dem Frontalcrash wird immer länger, die Wut der Bürger immer größer. So agiere keine verantwortungsvolle Regierung einer westlichen Demokratie, sondern nur die Mafia, sagen die Wutbürger. Premier Mitsotakis, der mit seiner konservativen Nea Dimokratia seit 2019 allein regiert, soll von der Heftigkeit der Proteste zwar schockiert sein, aber er klebt an seinem Stuhl. Das ist ein Unding! Treten Sie zurück, Herr Mitsotakis!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!