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Massenproteste in BelarusStreik folgt Protest

In Belarus hat die Opposition zur Arbeitsniederlegung aufgerufen. Arbeitende stehen nun unter Druck – nicht nur vonseiten des Lukaschenko-Regimes.

Montag in Minsk: Demonstration gegen Staatschef Lukaschenko Foto: Dmitri Lovetsky/ap/dpa

Kiew taz/dpa | Nachdem es der belarussischen Opposition am Sonntag gelungen ist, zwischen 200.000 und 300.000 Menschen allein in der Hauptstadt Minsk zu mobilisieren, hat die Opposition zu dezentralen Aktionen und Streiks aufgerufen. Die Aufrufe wurden am Montag unterschiedlich umgesetzt.

Gegenüber der taz berichtete Alexandra, die Ehefrau eines Arbeiters des Minsker Konzerns Belaruskali, die ihren Nachnamen nicht in der Zeitung lesen möchte, dass die Streikaufrufe am Montag weitgehend, aber nicht vollständig in drei großen Fabriken – Belaruskali, dem Minsker Traktorenwerk und dem Fahrzeughersteller BelAZ – befolgt wurden.

„Gleichwohl kann man nicht sagen, dass ganz Belarus streikt“, sagt Alexander Oparin, Lektor für Philosophie an der staatlichen Universität in Minsk und aktives Mitglied der linken Partei Gerechte Welt, gegenüber der taz. Die Opposition übertreibe, Regierungsmedien spielten die Streiks herunter. „Was wir jetzt haben, kann eine Vorstufe eines großen Streiks sein. In keinem Werk wird vollständig gestreikt, aber es gibt viele Betriebe, in denen einige Abteilungen streiken.“

Die Regierung, so Oparin, übe Druck auf Streikbereite aus, einige seien vom Geheimdienst KGB zu einem „Gespräch“ vorgeladen worden, Mitglieder von Streikkomitees seien festgenommen worden. Es gebe aber auch Drohungen von anderer Seite. So hätten Streikende die Streikbrecher bedroht.

Staatschef Alexander Lukaschenko forderte bei einer Sitzung am Montag vor Beginn des neuen Schuljahres alle Lehrer, die gegen ihn sind, auf, den Schuldienst zu verlassen. In Staatsbetrieben, in denen Teile der Belegschaft streiken, ließ er Streikführer festnehmen.

Das Militär hält zum Staatschef

Der Aufstand gegen Lukaschenko geht in die dritte Woche. Die Lage ist verfahren, weil Lukaschenko nach der von beispiellosen Betrugsvorwürfen überschatteten Präsidentenwahl weiter davon ausgeht, dass er gewonnen hat. Viele in Belarus fragen sich nun, wie es einen Ausweg aus der Krise geben kann. Militär und Sicherheitskräfte halten Lukaschenko die Treue.

Die Fronten sind verhärtet. Gesprächsangebote des von der neuen Demokratiebewegung gegründeten Koordinierungsrates lässt der 65-Jährige mit Festnahmen beantworten. Laut der belarussischen Menschenrechtsorganisation Wjasna wurden am Montag Olga Kowalkowa und Sergej Dylewskij vom Koordinierungsrat verhaftet. Ihnen werden der Organisation zufolge illegale Streiks vorgeworfen.

Am Samstag war zudem Andrej Ostapowitsch, ehemaliger Ermittlungsbeamter in Minsk, aus Russland zurück nach Belarus abgeschoben worden. Aus Protest gegen das Vorgehen gegen die Demonstranten hatte er zuvor seinen Dienst quittiert und war anschließend nach Russland gereist, von wo aus er nach Lettland hatte fliehen wollen.

Am frühen Montagnachmittag, so das Portal der Menschenrechtsorganisation Charta97, marschierte außerdem das Streikkomitee von Belaruskali zur örtlichen Miliz von Soligorsk, um der Forderung nach Freilassung ihres Co-Vorsitzenden Anatoli Bokun Nachdruck zu verleihen. Bokun war am Montag in Soligorsk festgenommen worden.

Lukaschenko in Kampfmontur

Am Sonntagabend hatte das weißrussische Staatsfernsehen Alexander Lukaschenko gezeigt – in Kampfuniform und schusssicherer Weste mit einer Kalaschnikow in der Hand. Mit dabei war auch der ebenfalls bewaffnete 15-jährige Sohn Lukaschenkos, Nikolaj.

Der martialische Auftritt wurde in Belarus unterschiedlich wahrgenommen. „So ist er, der Lukaschenko. Er liebt es, schockierende Dinge zu tun, aber den Militärs und Polizisten hat’s wohl gefallen“, kommentierte Liolik Uchkin von den belarussischen Grünen den Vorfall. Das Verhalten würde aber von oppositionellen Medien als Schwäche interpretiert, so Uchkin.

Anders Alexandra: „Ich bin schockiert. Zuerst haben Soldaten und nicht Polizisten am Sonntag die Stella (Denkmal in Minsk; Anm. d. Red.) mit Stacheldraht abgeriegelt und bewacht und dann dieses Auftreten von Lukaschenko und seinem minderjährigen bewaffneten Sohn.“

Die Message sei klar: „Er hat deutlich gemacht, dass er mit Gewalt gegen friedliche Demonstranten vorgehen will und das mit der Armee machen wird.“ Jetzt könne man nur noch hoffen, dass sich die Armee weigert, Befehle eines verrückten Präsidenten auszuführen. „Wenn ich aus Belarus fliehen könnte, würde ich es sofort tun“, beendet sie das Telefonat.

Unterdessen herrscht Rätselraten um den Vorsitzenden des belarussischen Leichtathletikverbandes, Wadim Dewjatowski. Der Sportler hatte sich immer für Lukaschenko positioniert. Unerwartet hatte er dann vergangene Woche auf Facebook gepostet: „Lukaschenko ist nicht mein Präsident.“ Als die Zeitung Nascha Niva den Sportfunktionär um ein Interview bitten wollte, habe eine unbekannte Frau Dewjatowski, der sich im Krankenhaus befand, den Hörer aus der Hand genommen.

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