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■ Martin Walser, die „Frankfurter Allgemeine" und die MedienSchroffe Töne, bigotte Ermahnungen

Wenn man heutzutage einen Schuldigen dafür sucht, daß die Welt in einem üblen Zustand ist, dann werden gern „die Medien“ dingfest gemacht. Denn die Medien berichten zuwenig (oder das Falsche) – kein Wunder, daß deshalb der Wald weiter stirbt oder kein Mensch über den Bürgerkrieg im Land X redet. Diese Medienschelte ist in Mode, weil sie ein rundum befriedigendes Ritual ist: Man hat einen Schuldigen benannt – und auch wenn niemand weiß, wer mit „die Medien“ eigentlich gemeint ist, beruhigt es ungemein zu wissen, daß irgend jemand für die Lage verantwortlich ist. Was früher der Teufel gewesen sein mag, das sind in den Zeiten von Globalisierung und immer neuen Unübersichtlichkeiten die Medien: ein Wort, das die Existenz des Bösen erklärt.

Martin Walser hat jüngst erklärt, mit seiner Kritik der Instrumentalisierung von Auschwitz und deutschen Gedenkens habe er die Medien gemeint. Das war als Präzisierung gedacht; ist freilich das exakte Gegenteil. Welche Medien? Den Bayernkurier? „Panorama“? Sat.1? Guido Knopp? Das Internet? Die taz? Steven Spielbergs „Schindlers Liste“? Diese Unschärfe verdeutlicht die fundamentale Schwäche von Walsers Rede: Er inszeniert sich als jemand, der gegen die Sprachregelungen eines rituellen Antifaschismus seine eigene Wahrnehmung setzt. Dieser Angriff auf das Abstrakte ist freilich selbst denkbar unkonkret. Im Zweifel sind dann halt, wie an jedem besseren Stammtisch, „die Medien“ schuld.

Der Gewinner des sich polemisch zuspitzenden Streits zwischen Walser, Dohnanyi und Bubis ist ein Medium: die Frankfurter Allgemeine, publizistisch und wohl auch politisch. Sie hat die Debatte in die Hand genommen. Das Spektakel der täglich im Feuilleton dokumentierten Beleidigungen zwischen Bubis und von Dohnanyi wurde so etwas wie eine Daily Soap. Zur gelungenen Dramaturgie einer solchermaßen personalisierten Debatte gehören auch ernste Zurufe, nicht über die Stränge zu schlagen; die Rolle wurde mit Richard von Weizsäcker klassisch besetzt.

Nun empfiehlt FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher Bubis und Walser, „unter Ausschluß der Medien ins Gespräch zu kommen“. Das klingt ein bißchen bigott. Denn an dieser Eskalation verletzter Eitelkeiten, an dem schroffen Ton auf beiden Seiten, an Bubis bösem, nicht sehr weisem Vorwurf an seine Kontrahenten, „latente Antisemiten“ zu sein, und Dohnanyis gereizter Antwort – dafür ist nicht zuletzt die FAZ verantwortlich. Schirrmachers leise Medienkritik geht an die eigene Adresse. Stefan Reinecke

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