Martin Sonneborn über die gekaufte WM: „Mit Würsten beeindrucken“

Die Bewerbungspolitik des DFB für die WM 2006 – und was Hamburg daraus für die Olympiabewerbung lernen kann, erklärt der frühere „Titanic“-Chef Sonneborn.

Fans mit Deutschlandfahnen

WM 2006: Nationaler Taumel auf dem Fan-Fest am Brandenburger Tor in Berlin Foto: dpa

taz: Herr Sonneborn, bislang ging man davon aus, dass die Fußball-WM 2006 dank einer Bestechungsaktion der Titanic nach Deutschland kam. Nun schreibt der Spiegel, dass seitens des DFB auch Geld geflossen ist. Waren Sie gar nicht so wichtig fürs „Sommermärchen“?

Martin Sonneborn: Die WM nach Deutschland zu holen, war nicht die Aktion eines Einzelnen, sondern das Ergebnis eines gut zusammenarbeitenden Teams. Wir können also auf eine gute Zusammenarbeit zwischen dem DFB und mir zurückschauen. Die Arbeit hatten wir uns sehr gut aufgeteilt.

Wie sah denn die Arbeitsteilung aus?

Für ein Ereignis dieser Größenordnung hätte es nie ausgereicht, nur die eine Stimme des Neuseeländers Charles Dempsey, um den wir uns gekümmert haben, zu kaufen. Der DFB hat daher dankenswerterweise vier Fifa-Funktionäre aus Asien bearbeitet.

Rechnen Sie mit noch mehr Enthüllungen?

Ehrlich gesagt, der Niersbach ist mir suspekt. In einem Interview, das Jahre nach der WM 2006 geführt wurde, war Niersbach gefragt worden, ob er nicht doch der Titanic dankbar sein müsse, was sie für dieses Land geleistet hat. Da ist er rot geworden vor Wut und hat rumgebrüllt, das sei ein „Scheißmagazin“. Und ihm ist der Satz rausgerutscht, die Stimme von Charles Dempsey hätte man doch schon längst zugesichert bekommen gehabt.

Die WM war ein Weltereignis erster Güte. Hat sich die Investition nicht sehr gut rentiert?

Ja, das Geld hätte man nicht besser anlegen können. Die Effekte der WM waren ja enorm: die volkswirtschaftlichen Auswirkungen, die Sympathiewerte für Deutschland. Und Sie dürfen einen Aspekt nicht vergessen: den Babyboom. Eine Hebamme berichtete mir, dass exakt neun Monate nach dem WM-Spiel Deutschland gegen Schweden viele Kinder geboren wurden.

Der Publizist und Politiker war von 2000 bis 2005 Chefredakteur der Titanic. Das Satireblatt hatte Bestechungsfaxe und Geschenke an Fifa-Funktionäre verschickt. Die Bild rief zu Protesten auf. Derzeit ist Martin Sonneborn einziger Abgeordneter der Partei PARTEI im Europaparlament.

Unterm Strich also: DFB und Titanic haben alles richtig gemacht. Die 6,7 Millionen Euro, von denen derzeit die Rede ist, zeugen von sparsamen Umgang mit dem Geld?

Das ist ja nicht die vollständige Summe. Es kommen ja noch die Kosten für die Geschenkkörbe hinzu.

Welche Lehren kann man aus der WM 2006 für weitere Großveranstaltungen ziehen? Was kann etwa die Hamburger Olympiabewerbung von Ihnen und dem DFB lernen?

Nicht nur mit Geld zu arbeiten, sondern vermehrt auch mit Naturalien. Der bestochene Koreaner zum Beispiel war derart reich, dass man ihn mit ein paar Würsten viel nachdrücklicher beeindrucken konnte.

Wie geht es mit dem Personal, das die WM nach Deutschland holte, weiter? Was erwarten Sie für Franz Beckenbauer und Wolfgang Niersbach?

Für Niersbach erwarte ich eine führende Position an wechselnden Kassenhäuschen der Zweiten Bundesliga. Beckenbauer, hm, ich fürchte, er respektiert unsere Realität nicht mehr so weit, dass ihn noch irgendetwas erreichen könnte.

Und welche Dankbarkeit sollte Ihnen und der Titanic gezeigt werden?

Mir würde reichen, wenn der DFB das Versprechen hält, dass ich Ehrenspielführer der Nationalmannschaft werde. Das hat mir der Anwalt in der Auseinandersetzung nach der Bestechungsaffäre damals zugesagt. Er hat zwar einen ironischen Unterton versucht, aber der hat mich nicht erreicht.

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