Martin Kaul über das turboradikale Monsterkrawallvideo vom Zentrum für Politische Schönheit: Maximale Kontrastfolie
Natürlich kann man jetzt mit Fug und Recht sagen: „So etwas Dämliches.“ Oder: „Das gießt doch nur Öl ins Feuer.“ Oder: „Das ist keine Kunst und auch kein Aktivismus.“ Und was man jedenfalls auch sagen sollte: „Ästhetisch betrachtet genügt diese Brachialaktion nicht den geringsten Ansprüchen an Kunst.“
Jeder dieser Sätze ist berechtigt. Gleichwohl: Mit seinem neuen, am Dienstag veröffentlichten Video zum G20-Gipfel – Arbeitstitel: Tyrannenmord – liefert das Zentrum für Politische Schönheit, bekannt für seine provokanten Grenzgänge im politischen Raum, eine maximale Kontrastfolie für eine schmerzliche Debatte.
Die Kunstaktivisten aus Berlin veröffentlichten ein Video, dessen vermeintlich militante Gewaltverherrlichung die Fantasien der klandestinsten Autonomen noch weit übertrifft: Es ist das Szenario eines aus dem Ruder gelaufenen Gipfels. Wladimir Putins Flugzeug stürzt auf der Anreise ab, der saudische König wird vergiftet, in den Straßen tobt der Mob, ein Mann hängt leblos an einem Laternenpfahl. Demonstranten tragen Transparente mit der Aufschrift „Tod und Frieden“ oder „Kopfschuss“ – und eine vermeintliche Stiftungsexpertin sagt: „Der Tyrannenmord ist immer das letzte Mittel gegen eine verbrecherische Diktatur.“ Die Künstler stellen den Tyrannenmord zur Debatte. Ihr völlig überzeichneter Aufruf: Seht zu, dass ihr die Autokraten, die da kommen, loswerdet.
In Hamburg, wo seit Wochen über die drohenden Ausschreitungen zum G20-Gipfel geredet wird, ist das eine neue Umdrehung der Eskalationsspirale. Und doch, wenn wir Abstand nehmen von der Aufregung, ist dies eine berechtigte Frage: Was eigentlich ist die richtige Antwort auf Diktatoren und Autokraten in einer Welt der Antagonismen, die sich auch am Wochenende in Hamburg zeigen wird: Hier reden die einen und dort schlagen die anderen alles kaputt. Beides droht gar nichts zu nützen.
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