Marokkanische Huren im Sonntaz-Gespräch: "Mülldeponien werden zu Moscheen"
Der König von Marokko möchte, dass Frauen und Männer die gleichen Rechte haben. Die Prostituierten Aicha und Suleika erzählen, wie es wirklich ist: Alle müssen lügen, niemand ist frei.
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Es ist der Vorabend einer wichtigen Entscheidung: Die Bevölkerung soll über die neue Verfassung abstimmen. Der König von Marokko, Mohammed VI., hofft, so einem Übergreifen der prodemokratischen Protestwelle in der arabischen Welt vorzubeugen.
Festgeschrieben werden soll in der neuen Verfassung auch die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Tanger, die Küstenstadt im Norden des Landes ist voller "Jubel-Marokkaner", gekauften Claqueuren, die Stimmung für das Referendum machen sollen. Und in einem Apartment an der Corniche von Tanger, das häufig von verheirateten Männern und Besuchern aus den Golf-Staaten für Orgien genutzt wird, erzählen die Prostituierten Aicha (22) und Suleika (32) im sonntaz-Gespräch, wie es tatsächlich um das Verhältnis zwischen Männern und Frauen in Marokko bestellt ist.
Sie kommen zu dem Schluss, dass es im Grunde keinen großen Unterschied zwischen einer Ehefrau und einer Prostituierten gibt: "Viele Männer behandeln ihre Frauen hier wie Kühe. Sie geben ihnen zu essen und dafür müssen sie alles machen, was man ihnen sagt." Ihre Freundin Suleika sieht das noch radikaler: "Viele behandeln die Huren sogar besser als ihre Ehefrauen."
"Wer eine Schwester hat, hat einen Pickel im Arsch" – so sprechen Männer in Marokko, wenn sie unter sich sind. Frauen bedeuten ihnen häufig einen Last, denn wenn die Frau ihrer Ehre verliert – entjungfert wird – verliert die ganze Familie die Ehre, insbesondere die männlichen Familienmitglieder. Diese Männer jedoch scheuen laut Aisha und Suleika nicht davor zurück, Frauen "auszutricksen", die nicht zur eigenen Familie gehören: Sie schlafen mit ihnen, ohne sie in der Konsequenz zu heiraten: "Die Frauen verlieren ihre Ehre. Danach landen sie auf der Straße, gehen anschaffen" sagt Aicha im sonntaz-Gespräch.
Das ganze Sonntaz-Gespräch von Jana Petersen, Martin Reichert und Khalid El Kaoutit mit den Prostituierten Aicha und Suleika können Sie – neben zahlreichen weiteren interessanten Artikeln – in der sonntaz vom 16./17. Juli 2011 lesen. Ab Sonnabend zusammen mit der taz an ihrem Kiosk oder am eKiosk auf taz.de. Die sonntaz kommt auch zu Ihnen nach Hause: per Wochenendabo. Und für Fans und Freunde noch mehr sonntaz auf: facebook.com/sonntaz.
Manche ihrer Freier, erzählen die Frauen, sind Geistliche. "Die beschimpfen dich als Huren und belehren dich, dann vögeln sie dich", sagt Suleika. "Früher", sagt Aicha, "waren unsere Kunden Dealer oder ältere erfolgreiche Männer." Die hätten einfach bezahlt. Jetzt seien es viele soziale Aufsteiger. Und die, sagt Aicha, "sind aggressiv, wollen ihr Geld zurück, wollen verhandeln."
Für die neue marokkanische Verfassung interessieren sich die beiden Frauen nicht. Es wird sich wenig ändern im Leben der dieser Frauen, die am Rande der Gesellschaft leben. Sie werden von der eigenen Familien abgestoßen, gelten als "Mülldeponien" in einer von traditionellen Männerbildern geprägten Gesellschaft – die zugleich als eine der modernsten in der Arabischen Welt gilt.
Lesen Sie in der aktuellen sonntaz mehr über Grenzen der Freiheit, familiäre Zwänge und jene Wirklichkeiten, die eine ganze Generation junger Menschen in den arabischen Ländern hofft überwinden zu können.
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