■ QUERBILD: Marius und Jeannette
Manchmal schmälern Dinge den Filmgenuß ganz erheblich, für die ein Regisseur gar nichts kann. Im Fall von Robert Guèdiguians proletarischer Love-Story ist es die gestelzte Synchronisation. Marius und Jeannette spielt in Marseille, und wer schon einmal in der Hafenstadt war, weiß, wie sehr die Atmosphäre vom melodischem Singsang der Sprache und dem gerollten „R“geprägt wird. Einem guten Dutzend Gestalten zuzusehen, die mit typisch südländischer Hochmotorik ihren Gefühlen Ausdruck verleihen, dabei aber ein lebloses Standarddeutsch sprechen, befremdet und beraubt den Film seines größten Trumpfs: des Lokalkolorits. Weitere Minuspunkte handelt sich der Regisseur dann leider selbst ein. Die im Zentrum der handlungsarmen Geschichte stehende Beziehung zwischen einer arbeitslosen Kassiererin und einem wortkargen Fabrikarbeiter prickelt nur verhalten. Als sich die beiden begegnen, haben sie die Hälfte ihres Lebens schon hinter sich – und ihre Erwartungen an die Zukunft auf ein Minimum heruntergeschraubt. Sich noch einmal zu verlieben, damit rechnen beide am allerwenigsten... Die Bilder eines in vieler Hinsicht heißen Sommers in einem Marseiller Arbeiterviertels tendieren zu all zu Profanem, der Regisseur verläßt sich darauf, daß die überstrapazierten politisch-philosophischen Betrachtungen vor allem von Jeanettes Nachbarn manchen Leerlauf zudecken. Britisches Sozialkino ans Mittelmeer verpflanzen zu wollen, ist ehrenwert. Aber seine größte Qualität – die mühelose Verwicklung von Humor und Dramatik – muß unterwegs irgendwo in Frankreich verloren- gegangen sein. Kalle Schäfer Abaton, Zeise
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