Marco Carini über die späte Entschuldigung bei NSU-Opferfamilie: Anteilnahme, die niemandem wehtut
Warum nur musste das so lange dauern? Mehr als sechs Jahre, nachdem sich die Bundeskanzlerin bei den NSU-Opfern für eine bundesweite Ermittlungstätigkeit entschuldigt hat, die auf dem rechten Auge blind war, ringt sich nun auch die Hamburger Bürgerschaft zu einer Entschuldigung durch. Sie spricht den Angehörigen des Hamburger Opfers Süleyman Tasköprü ihr Mitgefühl und tiefes Beileid aus und bedauert das Leid, das sie durch Ermittlungen von Staatsanwaltschaft und Polizei erfahren haben, die Opfer zu Verdächtigen erklärten und die rassistischen Motive des Mordes jahrelang nicht erkannten.
Besser spät als nie, mag man meinen, doch es wäre zu leicht, würden die Verantwortlichen sich mit dieser lapidaren Erkenntnis aus der Affäre ziehen. Die Angehörigen der NSU-Mordopfer haben sich immer eine offizielle Entschuldigung der Polizei gewünscht und diese nie erhalten. Die späte Anteilnahme tut niemandem weh. Sie benennt – sehr allgemein – die Fehler der Vergangenheit, aber sie sagt nichts darüber, wie diese geschehen konnten. Und was zu tun bleibt, damit sich solche vorurteilsgeleiteten Ermittlungen nie wiederholen. Sprachlos ist Hamburgs Parlament seit heute nicht mehr, ratlos schon.
Denn die, die die Gesinnung der NSU in Teilen teilen, sie sitzen heute in den Parlamenten, hetzen gegen Flüchtlinge, Multikulti und Political Correctness. Auch in Hamburg. Fremdenfeindliches Gedankengut rückt heute wieder in die Mitte der Gesellschaft vor. Und wo die Biedermänner eine Bühne bekommen, sind die Brandstifter nicht weit entfernt.
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